Die Stadt der Engel
in der US-Botschaft an.
Sie war direkt am Apparat und meldete sich ohne ihren Namen zu nennen. Ihn an der Stimme erkennend, schoß sie sofort los: »Gregory ist bereits mit einer Militärmaschine nach Bangkok abgeflogen. Ich habe ihn auf Anhieb erreicht und ›Lastdance‹ ausgelöst.«
»Gratuliere, Carol«, erwiderte Garella. »Unmittelbar nach seiner Ankunft muß unser Vize zusammen mit dem Botschafter zum thailändischen Ministerpräsidenten fahren und das Unumgängliche beichten. Er muß durchsetzen, daß Decha Vivikul offiziell zum Regierungs-Beauftragten in Sachen Flashlight ernannt wird; der Mann – er ist in unserem Laden natürlich bekannt – riskiert jetzt Kopf und Kragen, weil er –«
»Kapiert«, unterbrach ihn Carol. »Und paß' auf dich auf, Paul – du wirst noch gebraucht.«
»Höchstens privat«, versetzte er.
»Du schaffst Flashlight schon«, ermunterte ihn Carol. »Du erreichst doch alles.«
»Blumen bitte erst zur Siegesfeier«, entgegnete Garella und legte auf.
Einen Moment lang genoß er die Schadenfreude über den Canossa-Gang des CIA-Gewaltigen aus Langleys siebter Etage in den Thai-Regierungssitz. Aber der Spiritus rector der ›Company‹, so nennt man in Fachkreisen den US-Geheimdienst mit 16.000 Mitarbeitern und einer Milliarde Dollar Jahresetat – würde sich schon herauswinden, wenn vielleicht auch nicht ganz kostenfrei.
Unbemerkt von Nachbarn, betrat er Dechas Haus, und nun hieß es für ihn warten. Die Zeit wurde zur Tortur, aber der Untergetauchte mußte sich gedulden; er wußte, daß Dr. Vivikul ohne Zeitverlust seinen Machtapparat eingeschaltet hatte, ohne erst die Sondervollmachten abzuwarten.
Decha kam am späten Abend, erschöpft und erregt: »Mach dich auf etwas gefaßt, Paul!« sagte er statt einer Begrüßung.
Während Dany noch überlegte, wie sie unauffällig an Kim Kalaschke herankommen könnte, um ihr ihre Weekend-Adresse mitzuteilen, traf sie Garellas Leihfrau beim hoteleigenen Coiffeur, und nichts war selbstverständlicher, als daß zwei Kundinnen miteinander ins Gespräch kamen. Solange sich Kim im Hotel aufhielt, würde sich Garella, wenn auch zähneknirschend, an die Vereinbarung halten. So betrachtet, wirkte die Gegenwart der Frau, die vermutlich auch ihre Bewacherin war, auf Dany eher beruhigend.
»Bis Montag ist sicher nicht viel los. Andernfalls würde ich Sie sofort verständigen«, beruhigte Kim die Journalistin.
Eine Stunde später fuhr Dany mit Ferry zum Airport. Es war Wan Suk, Freitag, aber beide trugen Sonntagsgesichter, sagten einander Sonntagsworte und zeigten Sonntagslaune.
»Ich freue mich auf Phuket«, sagte Dany. »Aber ganz wohl ist mir nicht dabei – ich bin etwas pflichtvergessen.«
»Sonntag Abend sind wir wieder zurück«, erwiderte der Wikinger. »Hat eigentlich eine bekannte Publizistin nie ein freies Wochenende?«
»Fast nie«, versetzte Dany.
Sie nahmen im allgemeinen Warteraum der THAI AIR Platz. Die VIP-Lounge war den Safrangelben vorbehalten. Vier von ihnen saßen in einer Reihe: eine seltsame Begegnung zwischen der uralten Tradition und einem modernen Verkehrsmittel.
»Dürfen Mönche denn rauchen?« fragte die Journalistin verwundert.
»Sie dürfen fast nichts«, erwiderte Ferry, »aber das dürfen sie. Die meisten führen ohnedies nur ein Bettlerdasein auf Zeit. So wie ein Moslem eine Mekka-Reise unternehmen soll, muß der Buddhist einmal im Leben seine Haarpracht opfern und mindestens eine Woche lang besitzlos auf den Straßen wandeln und im Wat, einem Kloster, wohnen. Auch König Bumiphol war einmal für drei Wochen als mittelloser Pilger unterwegs.«
»Das wäre eine Reportage gewesen!« entgegnete Dany.
»Ein Wechsel zwischen Zivilberuf und strenger Askese ist in Thailand selbstverständlich«, fuhr Ferry fort. »Rama der Vierte hatte siebenundzwanzig Jahre lang als Mönch gelebt, bevor er König wurde. Übrigens unterziehen sich auch Europäer und Amerikaner dieser frommen Übung auf Zeit. Die fünf Regeln des Buddhismus entsprechen im wesentlichen den zehn Geboten des Christentums, und gerade der Thai-Buddhismus ist besonders tolerant und stellt keine Fragen: morgens betteln, mittags die zweite und letzte Mahlzeit, der Rest des Tages gehört der Meditation; es ist ein Abenteuerurlaub der Seele.«
Die Passagiere wurden aufgerufen und kletterten an Bord des City-Jets, der den Pendelverkehr nach Phuket besorgte. Auf der Landkarte stellt Thailand – etwa doppelt so groß wie die Bundesrepublik –
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