Die Stadt der Könige: Der geheime Schlüssel - Band 2 (kostenlos bis 14.07.2013) (German Edition)
ohnehin von mehreren Wachen begleitet werden, aber der Anstand gebot, dass sie einen sogenannten Beschützer dabei hatten.
„Das werde ich mir bei Gelegenheit genauer ansehen“, brummte Hilmar. „Nun lasst uns endlich essen gehen.“
2. Die Stadt der Könige
In den stickigen, engen Gassen zwischen den Häuserreihen der Stadt Corona fühlte sich Leron´das mehr denn je eingeschränkt und hilflos. Er hatte geglaubt, mittlerweile mit menschlichen Siedlungen vertraut zu sein. Doch in den Schluchten dieser Stadt, in die nicht einmal die Sonne zu scheinen vermochte, unausweichlich eingepfercht zwischen all den schwitzenden und stinkenden Menschen, wurde ihm bewusst, wie wenig sie ihm behagten.
Es war noch keine halbe Stunde her, dass er durch das Hettig Tor die Stadt betreten hatte, aber er sehnte sich bereits nach frischer Luft und Licht. Nach einer freien Fläche, über die er seinen Blick streifen lassen konnte. Es kam ihm vor, als tappte er im Dunkeln und das war mehr als ungewöhnlich, denn normalerweise konnte er selbst im Dunkeln weiter sehen als hier.
Er fragte sich, wieso es so viele vergnügte Menschen geben konnte. Bei den ganzen Widrigkeiten, mit denen sie sich täglich herumplagen mussten, konnte er die verstehen, die mit ihrem Schicksal haderten, die schimpften und fluchten, mit bitterbösen Gesichtern auf den Straßen umher gingen oder traurig in den Nischen zwischen den Häusern standen. Der Gestank raubte ihm den Atem. Schmutzig und beklemmend hatte er bereits Waldoria empfunden, doch hier in Corona sehnte er sich nach dem Licht in Waldorias Straßen. Nach den winzigen Gärten und den gedrungenen Häusern, über denen man den Himmel sehen konnte.
Etwas weiter vorne sah es aus, als würde sich ein Platz öffnen. Zielstrebig ging Leron´das darauf zu. Doch er war nicht der Einzige, der diesem Ort entgegen drängte. Viele Reisende steuerten die freie Fläche an. Die Einheimischen blieben zurück. Leron´das konnte sehen, dass sie die Fremden – die mit schäbigen Bündeln auf dem Rücken, aber mit einem eigentümlichen Leuchten in den Augen durch die Straßen zogen – verächtlich und gierig musterten. Er beobachtete, wie ein Bäcker einem dieser Reisenden mit frommen Worten auf den Lippen den doppelten Preis für ein altes Brot verlangte. „Pilger“ nannte er ihn.
Leron´das hatte gelesen, dass es bei Menschen üblich war, an heilige Orte zu pilgern, um die Seele zu läutern. Er war neugierig zu sehen, an welchen Ort in dieser Stadt es den Pilger zog und so heftete er sich an seine Fersen und folgte ihm hinaus auf den Platz.
Als ob die anderen Gebäude der Stadt nicht bereits hoch genug in den Himmel ragten, türmte sich hier eine rußgeschwärzte Kirche vor Leron´das auf. Damals, vor nahezu hundertfünfzig Jahren, als die Stadt Corona brannte, war die Kirche eines der wenigen Gebäude gewesen, das dem Inferno getrotzt hatte. Ein Turm war eingestürzt, das wusste Leron´das, aber es war Wissen, dass er aufgenommen hatte, ohne einen Bezug dazu herzustellen. Doch jetzt, in Anbetracht dieses imposanten Bauwerks, gewann das Leid jener Zeit für ihn an Bedeutung. Dass die Menschen hierher kamen, um dieses Mahnmal ihrer Geschichte zu betrachten, konnte er verstehen und er ließ sich willig mit dem Strom mittreiben.
Die Pilger um ihn herum wurden zunehmend schweigsamer. Viele verharrten in Gebeten. Die Ehrfurcht und Erwartung stand ihnen ins Gesicht geschrieben. Sie ergriff auch von Leron´das Besitz. Einmal kam er nahe genug an die Kirchenmauer heran und sein Finger streifte über ihr schwarzes Gewand. Es roch immer noch nach Tod.
Die stumme Prozession umrundete die Kirche. Leron´das befand sich neben dem einen Glockenturm, der den Brand überstanden hatte, als die Mittagsstunde eingeläutet wurde. Brummend, klingend, summend erhob sich die Stimme der Glocke, hing einige Augenblicke schwebend, vibrierend in der Luft und verhallte traurig über der Stadt im Kessel der Berge.
Leron´das folgte ihren Tönen und dem leichten Echo, dass sie verursachten. Die murmelnden Gebete wurden intensiver. Die Pilger waren in Demut und Ehrfurcht gefangen. Vor der Ruine des zweiten Glockenturms stoppte die Prozession und danach löse sie sich auf.
Leron´das wusste nicht, was ihn dort erwartete. Die Menschenmassen drückten ihn immer weiter nach vorne und schließlich stand er davor. Sein Atem stockte und einige Augenblicke lang fürchtete er, dass sein Herz ihm den Dienst versagen würde. Unvorbereitet sah er
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