Die Stadt der Könige: Der geheime Schlüssel - Band 2 (kostenlos bis 14.07.2013) (German Edition)
Berichte sprachen von fünf bis zehntausend Männern. Und keiner von Philmors Spähern sollte sie bemerkt haben?
In der Dunkelheit hörte man die Rufe der Nachtwächter. Nur in den Türmen konnte man noch Bewegung erkennen. Es wurde Zeit, dass auch Leron´das sich einen Platz für die Nacht suchte. Er lauschte. Tatsächlich konnte er in der Nähe das Rauschen einer Silberpappel hören. Zwischen all den Fichten und Eschen musste sie sein. Er spannte seine Sinne und folgte dem vertrauten Ruf.
Sie stand nicht weit oberhalb der Stadtmauer und streckte ihre flirrenden Blätter dem Mondlicht entgegen. Ein einsamer ansehnlicher Baum, fernab von seinesgleichen auf bergigem Boden. Was machst du hier? Wollte Leron´das sie fragen, doch das war eine Frage, die man keinem Baum stellen konnte. Nur eins war sicher. Jemand hatte sie hier eingepflanzt. Sie war allein und sie schien zu warten. Leron´das lehnte sich an ihren silbernen Stamm und ließ sich von ihrer Kraft durchdringen. Auch er war allein. Schon viel zu lange allein. Die Menschen waren ihm fremd geblieben. Die Abgründe ihrer Herzen schreckten ihn so sehr, und der Brudermord, von dem er heute gelesen hatte und vor dem die Menschen die Augen verschlossen, lies ihn immer noch innerlich beben.
Herrschaft war ein Wort, für das es in der elbischen Sprache keine Übersetzung gab. Respekt oder Demut waren die Worte, die die Elben manchmal dafür benutzen. Doch diese beschrieben eher die Art wie die Kinder oder jungen Elben einem Älteren entgegenzutreten hatten. Die Entscheidungen, die im Rat getroffen wurden, fielen so aus, dass sie dem Wohl aller galten und jeder konnte für sich entscheiden, inwiefern er sich an der Umsetzung einer solchen Entscheidung beteiligte. Kein Elbe arbeitete für einen anderen, es sei denn aus Liebe oder Freundschaft. Es gab keine Herren und keine Knechte, keinen Wohlstand und keine Armut. Und nie würde ein Elbe einen andern verraten. Schon gar nicht um einen persönlichen Vorteil daraus zu ziehen. Für die Menschen jedoch schien die Macht das höchste Gut im Leben zu sein. Hatten sie es erst einmal zu Einfluss und Wohlstand gebracht, so gaben sie beides an ihre Kinder weiter, ohne das auf irgendeine Art und Weise geprüft wurde, ob diese die Fähigkeit besaßen, damit umzugehen. Leron´das hatte viel über die Menschen gelernt auf seinem langen Weg von Pal´dor bis nach Corona und vieles hatte ihn stutzig gemacht. Manchmal hatte er sich gefragt, wieso es nicht ständig zu Kämpfen zwischen ihnen kam, weil jeder auf seine Art nach Macht zu streben schien. Später war ihm aufgefallen, dass die meisten vom einfachen Volk die Gefüge der Mächtigen als gottgewollte Ordnung ansahen, und eine gottgewollte Ordnung wurde niemals in Frage gestellt. Dafür sorgte die Kirche. Leid wurde als Prüfung betrachtet. Und leiden mussten viele. Anfangs hatte alles in Leron´das dagegen aufbegehrt doch schließlich hatte er erkannt, dass sich die Ordnung der Elben nicht auf die Ordnung der Menschen übertragen ließ. Sie widersprach ihrer Art. Art, falls man so etwas von Menschen überhaupt sagen konnte. Sie waren wie ein bunter Wiesenblumenstrauß. Keiner glich dem anderen. Es gab friedfertige und es gab kriegerische Menschen, gerechte und ungerechte, kluge und dumme, freundliche und ablehnende. Aber auch diese Eigenschaften ließen sich nicht verallgemeinern. Selbst der Dümmste war noch in der Lage einmal klug zu handeln und selbst der Härteste oder Brutalste unter ihnen hatte noch einen sanften Winkel in seinem Herzen. Gerade das aber machte es so schwierig für Leron´das, die Freunde und Verbündeten zu finden, die er suchte. Selten war er sich sicher, jemandem restlos vertrauen zu können. Im einfachen Volk war es meist nicht ganz so schwierig, aber jeder Mann von Stand (und er hatte fast ausschließlich mit Männern verkehrt) hatte gelernt, sein wahres Wesen verborgen zu halten und verwirrende Reden zu führen. Leider hatte Leron´das bald herausgefunden, dass es aber gerade dieser beflissenen Männer bedurfte, um etwas gegen den König zu unternehmen.
Er seufzte und die Silberpappel nahm seinen Seufzer auf und ließ ihn im Wind vergehen. Sein Kopf lehnte an ihrer schartigen Rinde und er teilte mit ihr seine Traurigkeit darüber, dass ihm seit dem Abschied von Philip und Walter kein einziger Mensch begegnet war, dem er die Wahrheit über die Elben und den verschollen geglaubten Prinzen Peredur erzählen konnte. Dabei waren so viele Menschen
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