Die Stadt der Könige: Der geheime Schlüssel - Band 2 (kostenlos bis 14.07.2013) (German Edition)
beiden ältesten Söhne auf diesem Schlachtfeld gefallen waren und Corona in Schutt und Asche lag. Offensichtlich hatte nie ein Mensch daran gedacht, dass Willibald seinen Bruder verraten haben könnte.
Zweimal blätterte Leron´das zurück und überprüfte die Berichte, schließlich schob er sie von sich und barg den Kopf in den Händen. Er war erschüttert. Wieso war es noch keinem Menschen aufgefallen, dass Willibald auf dem Weg, den er eingeschlagen hatte, um mit seinem Bruder auf dem Schlachtfeld zusammenzutreffen, zwangsläufig den Truppen aus Mendeor hätte begegnen müssen? Willibald hatte nicht nur seinen Bruder in den Tod geschickt, er hatte auch die Stadt verraten und dem Untergang preisgegeben. Nur um alle glauben zu lassen, dass auch Peredur, der Jüngste von König Philmors Söhnen, tot war? In den Flammen umgekommen? Dass diesen seinen Vater noch vor Kriegsbeginn in das Jagdschloss auf dem Falkenberg bringen ließ, wusste niemand, nur Willibald. Und vermutlich hätte es auch nie jemand erfahren, wäre nicht der weise Theobald gewesen, der Verdacht geschöpft hatte und der das Kind nach Pal´dor rettete.
„Willibald der Gute“, murmelte Leron´das verächtlich. Willibald der Gute, weil er einen dauerhaften Frieden mit Mendeor verhandeln konnte. Weil er die steuerlichen Lasten für die Bevölkerung gesenkt hatte und einige Schulen bauen ließ.
Als Leron´das das Gebäude verließ, wusste er, dass er die Nacht nicht in der Stadt verbringen konnte. Er hatte das dringende Bedürfnis nach Luft und freiem Blick. Er wollte auf die Berge steigen und von oben auf die Stadt hinunter sehen. Er wollte einen offenen Himmel über seinem Nachtlager.
Hinter der Südmauer von Corona wuchs der Turmberg nahezu senkrecht in den Abendhimmel. Es war kein sehr hoher Berg, aber wenn man in der Stadt stand, verdeckte er die gigantischen Gipfel der südlichen Bergkette vollständig. Königsfelsen nannten die Menschen die Gipfel, die keiner von ihnen je bestiegen hatte.
Leron´das verließ Corona durch das Rote Tor am oberen Ende der Stadt und suchte sich einen Pfad auf den Gipfel dieses Berges. In den Türmen der Fliehburg, die die Menschen im Bergsattel errichtet hatten, gingen die ersten Wachfeuer an. Es gab Wege, die aus der Stadt hinaus zu dieser Burg führten, doch damals als Mendeor zum letzten Mal eine Streitmacht auf Corona angesetzt hatte, war es nur wenigen Menschen gelungen diesen Weg einzuschlagen. Der Archivar hatte Leron´das erzählt, dass die Geheimgänge unter dem Königspalast noch monatelang abgesucht worden waren, weil alle hofften, den kleinen Prinzen Peredur dort zu finden. Erfolglos.
Leron´das fand einen hoch gelegenen Aussichtspunkt und ließ seinen Blick über die Stadtmauer gleiten. Das Rote Tor war das einzige Tor auf der Westseite. Umrahmt und geschützt durch die Bastei der Weber und die der Schmiede, führte es hinaus in eine schmale Senke zwischen den Bergen, die wahrscheinlich am Kaisergebirge im Westen ein Ende fand.
Auf der anderen Seite – im Osten – öffnete sich das Tal und wurde breiter. Die Berge wichen zurück und gaben den Blick auf die weitläufige Ebene davor frei. Auf dieser Seite gab es zwei Tore. Das große Hettig Tor, durch das Leron´das in die Stadt gekommen war und das Kirchengässer Tor. Etliche Wehrtürme und die Basteien der Riemer, Goldschmiede und Tuchmacher waren auf dieser Seite errichtet und eine doppelte Mauer schützte die Stadt. Im Süden und im Norden drängte sich die Stadtmauer eng an die umliegenden Berge und wurde zusätzlich von höher gelegen Türmen bewacht. Leron´das verstand nicht viel von Kriegsführung, aber er ahnte, dass die Stadt von der Talseite aus kaum zu bezwingen war. Die Berge vereitelten jeden Angriff von einer anderen Seite und sorgten dafür, dass die Stadt nicht ausgehungert werden konnte. Es musste die mendeorischen Truppen ein nicht unerhebliches Maß an Anstrengung gekostet haben, sich mit all dem Kriegsgerät durch die Berge und Wälder zu schlagen, um das Rote Tor angreifen zu können. Jetzt da sich Leron´das das Ganze von oben ansah, erschien es ihm noch viel unwahrscheinlicher, dass kein Mensch diese Bemühungen bemerkt hatte. Jeder in der Stadt musste doch gewusst haben, dass das Rote Tor der Fluchtweg für die Stadtbevölkerung war. Der Weg auf dem Nahrung in die Stadt gebracht werden konnte. Selbst ein kleines Heer hätte alle in Alarmbereitschaft versetzten müssen. Doch Mendeor hatte kein kleines Heer geschickt. Die
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