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Die Stadt der schwarzen Schwestern

Die Stadt der schwarzen Schwestern

Titel: Die Stadt der schwarzen Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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Überrumpelt sprang der Söldner zurück und wischte sich mit dem Arm den Dotter aus den Augen, während sein Kamerad schadenfroh auflachte.
    «Dich flämisches Hurenstück mache ich fertig», schrie der Spanier voller Zorn. «Das büßt du mir!»
    Griet wich zurück. Sie hatte während der vergangenen Tage genug erlebt, um zu wissen, dass der Mann keine leeren Drohungen ausstieß. Auch wenn sie von ihm bedrängt worden war, hatte sie es gewagt, einen Söldner auf offener Straße zu schlagen. In anderen Städten und Dörfern waren Menschen bereits für weniger hingerichtet worden. Rasch raffte sie ihre Röcke und rannte die Gasse hinunter, an deren Ausgang der Kirchplatz der Sint-Walburgakerk zu sehen war. In das Gotteshaus durfte der Soldat ihr nicht folgen, so besagten es die Gesetze der Kirche, in Flandern wie in Spanien. Griet sah den schlanken Glockenturm, an dem eine Fahne im Wind flatterte, vor sich aufragen. Es war nicht mehr weit, sie konnte es schaffen. Vielleicht hatten sich sogar Hanna und Beelken nach St. Walburga geflüchtet, um dort abzuwarten, was mit Griet geschah.
    Fast hatte sie die Treppe erreicht, als zwei Männer aus der Kirche kamen: ein ältlicher Priester und ein blonder junger Mann mit wachen blauen Augen und einem verschmitzten Lächeln, der zwar flämisch wirkte, jedoch wie ein spanischer Edelmann gekleidet war. Er trug ein gepolstertes Wams aus nachtschwarzer Seide, einen strengen weißen Spitzkragen und Stiefel aus weichem Kalbsleder. Ein Barett, das keck auf dem Scheitel des Mannes saß, sowie ein blitzender Degen am Hüftgürtel, dessen Stahl vermutlich aus Toledo stammte, rundeten seine Aufmachung ab. Als der Fremde Griet die Kirchentreppe hinaufstürmen sah, runzelte er die Stirn. Der Priester stieß überrascht die Luft aus und machte einen Schritt zur Seite, um nicht umgerannt zu werden.
    Griet stürzte an den Männern vorbei, doch noch ehe sie die Tür aufstoßen konnte, spürte sie, wie jemand von hinten nach ihrem gefühllosen Arm griff und sie herumriss. Ein heftiger Schlag mitten ins Gesicht ließ ihre Lippe aufplatzen. Diesem folgten sogleich ein zweiter und dann ein dritter, der Griet niederstürzen ließ. Stöhnend schlug sie auf die steinernen Platten und versuchte, mit ihrem heilen Arm den Kopf vor weiteren Schlägen zu schützen.
    «Na los, hoch mit dir», blaffte der Söldner sie an. Das Haar des Mannes kringelte sich nass und klebrig an seiner Stirn. Als sie nicht reagierte, packte er Griet an der Schulter und schüttelte sie grob. Sie schrie vor Schmerz.
    «Darf ich erfahren, was das zu bedeuten hat?», mischte sich der junge spanische Edelmann ein. Er würdigte Griet keines Blickes, schien aber über die Unverfrorenheit, mit der der Soldat sie vor der Kirchentür schlug, verärgert zu sein. «Ich mag es nicht, wenn Frauen in meiner Gegenwart verprügelt werden, hörst du? Außerdem störst du meine Unterhaltung mit dem ehrwürdigen Priester.»
    Der Söldner warf einen wütenden Blick über die Schulter und erkannte, dass er es nicht mit seinesgleichen, sondern mit einem Edelmann zu tun hatte. Da war es besser, ihm den nötigen Respekt zu zollen. «Verzeihung, Señor, aber diese Frau hat sich ohne Erlaubnis auf der Straße herumgetrieben. Als ich sie zur Rede stellte, griff sie mich an. Ich habe sie bis hierher verfolgt.»
    «Das habe ich gesehen.» Der Edelmann verschränkte die Arme und musterte Griet, die noch immer auf dem Boden kauerte. Einen Wimpernschlag lang ruhte sein Blick auf ihrem tauben Arm, dann wandte er sich wieder dem Soldaten zu. «Du erhebst eine schwere Anschuldigung, mein Freund. In einer unterworfenen Stadt findet das Kriegsrecht Anwendung, auch nachdem sie sich ergeben hat», erklärte er. «Widerstand und Aufruhr werden mit dem Tod am Galgen bestraft.»
    Der Söldner nickte eifrig. «Ja, gewiss, Señor, das ist mir bekannt.»
    Griet horchte entsetzt auf. Aus den Augenwinkeln sah sie, wie der Kamerad des Söldners nun ebenfalls die Treppe hinaufstieg, um den Wortwechsel nicht zu verpassen.
    «Welchen Grund sollte die Frau denn gehabt haben, sich euren Befehlen zu widersetzen?», erkundigte sich der Mann im schwarzen Wams.
    «Nun … ich denke, sie hatte einfach keinen Passierschein, und daher …» Der Soldat geriet ins Stottern. Er hatte nicht damit gerechnet, nun selbst einem Verhör unterzogen zu werden. Er warf seinem Kameraden einen Blick zu, ihm zu helfen, doch der Soldat, der in einigem Abstand auf der Treppe stehengeblieben war,

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