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Die Stadt der schwarzen Schwestern

Die Stadt der schwarzen Schwestern

Titel: Die Stadt der schwarzen Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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Bürger ein und verwüsteten sie. In Pamele, jenseits der Schelde, war es offenbar schon zu Gewaltakten gekommen.
    Noch während Griet überlegte, ob sie einschreiten und der alten Händlerin helfen sollte, bückte sie sich, um eines der heil gebliebenen Eier aufzuheben, das ihr direkt vor die Füße gerollt war. Es fühlte sich warm an.
    «Was machst du, um Himmels willen?», zischte Hanna Marx. «Bist du verrückt geworden? Hast du vor, uns ins Unglück zu stürzen?» Die alte Frau stieß einen spitzen Schrei aus, als Griet sich mit dem Ei in der Hand dem jammernden Weib und den beiden Spaniern näherte. Diese starrten sie argwöhnisch an.
    «Was willst du denn?», stieß der größere der beiden hervor. Mit seinem dünnen Bärtchen und der gebräunten Haut sah er noch jünger aus, als Griet ihn geschätzt hatte. Sein herrisches Auftreten, mit dem er seine Männlichkeit unter Beweis stellen wollte, täuschte nicht darüber hinweg, dass er nichts als ein pickeliger Jüngling war, dem man ein paar Dukaten und eine Lanze in die Hand gedrückt hatte. Vermutlich reagierte er seinen Frust, in der flandrischen Provinz dienen zu müssen, anstatt es sich in Madrid gutgehen zu lassen, an den Einwohnern der besiegten Stadt ab.
    «Zeig mir deinen Passierschein, aber schnell!»
    Griets Finger schlossen sich um das Ei in ihrer Hand. «Ich war gestern auf dem Marktplatz wie alle anderen», sagte sie so ruhig sie konnte und hoffte inständig, ihr flatterndes Herz verriete nicht, wie sehr sie sich fürchtete. Hanna hatte völlig recht. Sie war verrückt geworden, kein normal denkender Mensch brachte sich in Lebensgefahr, nur weil eine alte Händlerin herumgestoßen wurde und ein paar Eier zu Bruch gegangen waren. Doch nun war es zu spät, davonzulaufen. Die Krämerin kümmerte die Spanier längst nicht mehr. Sie hielten das Weib nicht auf, als es seinen Karren aufrichtete und sich eilends aus dem Staub machte. Stattdessen musterten sie Griet von Kopf bis Fuß.
    «So, du warst also auf dem Platz?», stieß der zweite Soldat hervor. Er war kleiner als sein Kamerad, dafür aber muskulöser und breiter gebaut. Sein Gesicht, das von einer ungepflegten Löwenmähne umrahmt wurde, wirkte aufgeschwemmt, als habe er die Nacht durchgezecht. «Dann hast du wohl auch gesehen, welche Strafe jeden von euch Rebellen erwartet, der sich unseren Befehlen widersetzt.» Er machte eine fordernde Handbewegung. «Nun, worauf wartest du? Hast du eine Erlaubnis, dich auf der Straße herumzudrücken?»
    «Oder wenigstens ein paar Dukaten, die du uns schenken möchtest?», meinte der andere grinsend. «Falls nicht, ließen wir uns auch in anderer Währung bezahlen. Deine Brüste sehen nicht so schlaff aus wie dein Arm.»
    «Der Statthalter hat nichts von Passierscheinen gesagt», wandte Griet ein. «Er hat uns aber versprochen, dass wir zur Kirche gehen dürfen, wann immer uns danach ist. Ich möchte jetzt die Beichte ablegen. Wollt ihr mich etwa daran hindern?»
    «Beichten willst du?» Die beiden Soldaten verzogen höhnisch das Gesicht. Es lag auf der Hand, dass sie Griet kein Wort glaubten. Der Große kniff Griet in die Brust. «Was willst du denn beichten?», flüsterte er mit einem schmierigen Lächeln auf den Lippen. «Dass du es mit der verdammten Ketzerbrut treibst, die der Herzog gestern ihrer gerechten Strafe zugeführt hat? Schade, dass er nur den einen hat brennen lassen. Verdient hätten es die anderen auch. Herzog von Alba war damals nicht so zimperlich mit euch.» Er schnaubte verächtlich. «Ihr wartet doch nur darauf, dass wir euch den Rücken zukehren, damit ihr und eure verfluchten Geusen uns das Schwert in den Leib bohren könnt.» Er trat noch näher an Griet heran, sie konnte seinen sauren Schweiß riechen. «Aber vielleicht schaffst du es ja, mich und meinen Kameraden milde zu stimmen, wer weiß? Hier im Süden sollen die Niederländer doch etwas von den Genüssen des Lebens verstehen, ganz anders als die traurigen Gestalten im Norden, die nur den Handel im Kopf haben.»
    «Lasst mich auf der Stelle los!»
    «Nun zier dich nicht. Ein verkrüppeltes Weib, noch dazu eine Witwe, hat doch bestimmt nicht viel Spaß im Leben. Wir könnten das ändern, und niemand muss davon erfahren.»
    Griet verwünschte ihren nutzlosen Arm. Sie hätte ihn dringend gebraucht, um dem frechen Kerl einen Hieb zu verpassen. So blieb ihr nur ein Weg, um ihn sich vom Leib zu halten. Sie holte weit aus und schlug ihm das rohe Hühnerei gegen die Stirn.

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