Die Stadt der schwarzen Schwestern
geht?»
Griet schüttelte den Kopf. «Nein, aber manchmal spielt uns das Schicksal gerade dann eines in die Hände, wenn wir es brauchen. Ich hasse es, Nahrung so sinnlos zu vergeuden, in diesem Fall hatte ich keine andere Wahl. Vielleicht interessiert es Euch, woher das Ei wirklich stammt?»
«Nein», stoppte sie der Spanier. «Um das Wohlergehen unvorsichtiger Weiber kümmere ich mich selten. Ihr scheint vergessen zu haben, was sich gestern kaum hundert Schritte von diesem Ort ereignet hat. Vielleicht habt Ihr mit offenen Augen geschlafen oder mit anderen Weibern getratscht, während auf dem Grote Markt Menschen starben.»
«Wie könnt Ihr so etwas Furchtbares annehmen …» Griets Angst verwandelte sich in blanke Wut. Der Spanier wusste nichts über sie. Wie sie in diese missliche Lage geraten war, kümmerte ihn nicht, und über die Schläge, die sie hatte einstecken müssen, verlor er kein Wort. Dennoch war er so unverschämt, sie als gedankenloses Klatschweib zu bezeichnen.
«Die Gassen sind so kurz nach Einnahme der Stadt noch zu unsicher.» Seine Stimme klang nun eine Spur versöhnlicher. «Farneses Offiziere haben sich vorübergehend im Stadhuis eingerichtet, und die Reiter sind mit ihren Pferden in die Lakenhalle gezogen. Für die Fußsoldaten werden aber noch dringend geeignete Quartiere gesucht, alles geht drunter und drüber. Ihr solltet Gott danken, dass Ihr weder Dolch noch Messer bei Euch hattet. Wäre eine Waffe in Eurem Kleid gefunden worden, hätte ich keine andere Wahl gehabt, als diesem dummen Kerl zu erlauben, Euch in den Boudewijnturm zu sperren. Es ist fraglich, ob Ihr Euer Zuhause dann jemals wiedergesehen hättet.»
Griet zuckte trotzig die Achseln. Ihr war klar, dass sie ohne das Eingreifen des jungen Spaniers verloren gewesen wäre, das hieß aber noch lange nicht, dass er sie einfach so rügen durfte. «Darf ich fragen, wem ich den guten Rat verdanke, Señor?» Griet wollte sich ihren Groll nicht anmerken lassen.
Der Spanier zog galant sein Barett. «Sagen wir einfach, ein Mann des Rechts und Diener des Königs hat ihn Euch kostenlos gegeben. Und nun müsst Ihr mich bitte entschuldigen, ich habe noch einiges mit meinem Freund, dem Pater, zu besprechen. Versprecht mir, dass Ihr künftig vorsichtiger seid und die Eier zu Hause in die Pfanne schlagt, anstatt sie an den Kopf eines dahergelaufenen Trottels zu werfen.»
Griet öffnete den Mund, verzichtete aber auf eine Entgegnung. Ein Mann des Rechts also. Grußlos lief sie die Treppe hinunter, ohne sich noch einmal nach den beiden Männern umzudrehen, die ihr nachschauten, bis sie hinter einem Torbogen verschwunden war.
«Eine merkwürdige Person», sagte der junge Spanier kopfschüttelnd. «Ich habe in diesem Land schon viele hübsche Frauen gesehen, aber …» Er lachte. «Nicht so, wie Ihr meint, Pater. Meine Aufgaben, die ich für den spanischen Hof zu erfüllen habe, erlauben mir kaum zu essen und zu schlafen. Ich bin ständig unterwegs, nun auch noch im Auftrag des Statthalters. Wie sollte mir da der Sinn nach weiblicher Gesellschaft stehen? Vermutlich würde sowieso jede Frau in Flandern vor mir fliehen, solange ich dieses schwarze Gewand trage.» Er kratzte sich nachdenklich am Kopf. «Trotzdem wüsste ich gern, wer diese Witwe war.»
Pater Jakobus lächelte. Voller Zuneigung blickte er den jungen Mann an. «Weil sie Euch an Eure Mutter erinnert, mein lieber Floris?»
Die Miene des Spaniers verfinsterte sich. «Pater, das kann nicht Euer Ernst sein!»
«Streitet es nicht ab, Floris, ich kannte Euch schon, als Ihr noch in den Windeln lagt, und weiß daher genau, was in Euch vorgeht. Schließlich war ich mit Euren Eltern befreundet. Ich kann mich noch gut erinnern, wie Ihr einst auf flämischen Dorffesten mit Spielkameraden jauchzend vom Heuboden gesprungen seid oder wie Eure Augen glänzten, wenn ich Euch an meinem Bierkrug nippen ließ. Damals war ich noch ein einfacher Mönch, aber ich habe nicht vergessen, wie innig Ihr Flandern geliebt habt.»
«Das ist lange her», erwiderte der junge Mann kühl. «Das Kind, an das Ihr Euch zu erinnern glaubt, gibt es nicht mehr, Pater. Floris musste sterben, damit Don Luis de Reon geboren werden konnte. Ich bin spanischer Offizier, durch und durch.»
«Oh nein, mein Junge, Floris lebt weiter. Ich sehe ihn doch vor mir, auch wenn er inzwischen zum Mann gereift ist und wie ein Spanier aussieht. Manchmal frage ich mich, was aus Euch geworden wäre, wenn Euer Vater nicht beschlossen
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