Die Stadt der schwarzen Schwestern
hätte, Euch nach Spanien an König Philipps Hof zu schicken. Versteht mich bitte nicht falsch, Ihr habt eine gute Erziehung genossen, auf die Ihr stolz sein dürft. Aber ich beobachte auch, dass Ihr seit Eurer Rückkehr atemlos zwischen zwei Welten hin- und herjagt. Ihr erinnert mich an den Hasen, der einen Igel zum Wettlauf aufforderte. Wann immer er glaubte, am Ziel angelangt zu sein, musste er feststellen, dass der Igel schon vor ihm angekommen war. Er kam nie auf den Gedanken, dass es zwei Igel geben könnte.»
Don Luis lachte. «Nun gut, Ihr seid ein guter Märchenerzähler, Pater. Aber woher wollt Ihr wissen, wie es in mir aussieht, wenn nicht einmal ich selbst das weiß?» Die Stirn des jungen Mannes legte sich in Falten, sein Tonfall wurde schärfer. «Es spielt gar keine Rolle, wie es mir geht. Ich habe Euch nicht der guten alten Zeiten wegen aufgesucht, Pater, sondern weil Ihr der einzige Mann seid, dem ich hier vertrauen kann. Ich habe einen Auftrag zu erfüllen, den mir eine höchst angesehene Person erteilt hat.»
Der Geistliche nickte. «Das ist mir wohl bekannt, Don Luis. Mein Bischof hat mich bereits davon unterrichtet und mir befohlen, Euch behilflich zu sein. Ich schätze aber, dass dies gar nicht mehr nötig sein wird.»
«Was wollt Ihr damit sagen? Spannt mich nicht länger auf die Folter.»
Pater Jakobus druckste einen Moment herum. «Die Frau, die Ihr fortgeschickt habt … nun, es ist dieselbe, über die wir vorhin sprachen.»
Wie vom Donner gerührt starrte Don Luis de Reon den kleinen Priester an, der es plötzlich recht eilig hatte, in seine Kirche zurückzukehren. Doch noch vor der Tür packte Don Luis ihn am Arm. «Wollt Ihr damit andeuten, die Frau im Witwenkleid war die, wegen der ich Euch aufsuchte? Madre de Dios , warum habt Ihr das nicht gleich gesagt. Ihr habt zugesehen, wie sie verschwand?»
«Ihr haltet Euch für gewitzt», wandte der Pater ein, «aber Ihr müsst noch viel lernen. Glaubt mir, Floris, wenn Ihr Euren Auftrag erfolgreich ausführen wollt, dürft Ihr Euch keine Unachtsamkeit leisten. Und keinen Hochmut.»
«Und Ihr meint, Ihr seid der richtige Mann, um das zu beurteilen?» Don Luis war erbost. Dass der Priester seine Familie und seine Vergangenheit kannte, gab ihm noch lange nicht das Recht, ihm Ratschläge zu erteilen, um die er nicht gebeten hatte.
«Floris, beherrscht Euch», mahnte der Priester. «Ich weiß, dass Ihr ein junger Heißsporn seid, der das Temperament seines Vaters geerbt hat. Aber die Angelegenheit, die Euch nach Oudenaarde geführt hat, könnte viele Menschen ins Unglück stürzen, die das nicht verdient haben. Es ist schon genug Blut vergossen worden, seit in den Niederlanden Krieg herrscht.»
Don Luis seufzte. «Woher wisst Ihr so viel über diese vertraulichen Dinge? Und nennt mich gefälligst nicht Floris.»
Der Priester wischte Don Luis’ Einwand mit einer Handbewegung fort. «Wie gesagt, mein Bischof hat mir schon erklärt, wie delikat Eure Mission in Flandern ist. Man könnte sie auch als Buße für Sündenschuld verstehen. Eine Buße, die Ihr meines Wissens auf Euch genommen habt, um wieder mit Gott und der römischen Kirche ins Reine zu kommen. Vergesst nicht, dass Ihr schon einmal versagt habt. Versagt Ihr ein weiteres Mal, wird es Euch nicht nur in diesem Leben schlecht ergehen, sondern auch nach dem Jüngsten Gericht. Haltet Euch das Beispiel Eurer Mutter vor Augen!»
Der junge Spanier wandte sich ab. Warum musste der Pater seine Mutter erwähnen? Weil sie auch für ihn eine Heilige gewesen war? Wenn ihr Leben doch so reich an guten Taten gewesen war, warum hatte Gott dann nicht besser auf sie aufgepasst? Warum hatte er, der Allwissende und Gerechte, es ausgerechnet ihm, einem Taugenichts, überlassen, für eine Heilige zu sorgen? Hatte er nicht gewusst, dass er kläglich versagen würde? Er war nicht für sie da gewesen, als sie seine Hilfe gebraucht hätte, dabei wäre es so leicht gewesen, sie zu beschützen. Es war alles umsonst gewesen.
Don Luis straffte die Schultern. Wem half es, Zuflucht zu ketzerischen Gedanken zu nehmen? Das hatte er schon einmal getan, und es war ihm schlecht bekommen.
«Verzeiht mir bitte, Pater», sagte er und lächelte kleinlaut. «Ich war mal wieder aufbrausend und nicht gerade höflich zu Euch.»
«Unwichtig, wenn Ihr nur tut, was man von Euch verlangt.» Der Priester klopfte Don Luis auf die Schulter. «Und nun kommt mit!»
Pater Jakobus führte ihn durch das Kirchenschiff in die
Weitere Kostenlose Bücher