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Die Stadt der tausend Schatten: Roman (German Edition)

Die Stadt der tausend Schatten: Roman (German Edition)

Titel: Die Stadt der tausend Schatten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carrie Ryan
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Machete ins Eis und schlängele mich voran.
    Ich brauche beide Hände zum Festhalten und muss die Laterne fallen lassen. Es fühlt sich an, als würde sich der Boden auftun und dieWelt verschlucken. Riesige Eisstücke geraten ins R utschen, fallen, reißen dieToten mit in die Tiefe, und eineWelle eiskaltesWasser schwappt über meine Beine.
    Um mich tretend finden meine Füße Halt an einem Körper, ich stoße mich ab, robbe voran, rutsche auf dem Bauch über das verbliebene Eis, bis ich endlich aufstehen kann.
    Die Laterne zischt wieder, sie befindet sich außerhalb meiner R eichweite auf einer Eiszunge inmitten vonToten. Dort wirft sie ein flackerndes Licht über die sich windenden Körper, von denen einige noch immer mit gereckten Fingern in meine Richtung drängen. Ihr Stöhnen schwillt an und verhallt, wird vomWasser verschluckt.
    Ich will den tröstlichen Lichtkreis nicht verlassen. Doch ich weiß, dass hinter dieser Ansammlung vonToten noch weitere nahen – Hunderte, wenn nichtTausende strömen in denTunnel . A lso drehe ich mich wieder um und stolpere in die Finsternis.
    Während meine tauben Füße mich vorwärtstragen, kommt es mir vor, als würden die Toten hinter mir meinen Namen rufen. Statt zu stöhnen, rufen sie »Aaaaaanaaaahhh« – immer wieder, wie ein Chor vom Ende der Welt, der mein Totenlied singt.
    Manchmal erheben sich vor mir Leichen, die sich mir schwankend nähern, und ich kann sie nur dem Gehör nach mit der Machete abwehren und alles aufschlitzen, was erreichbar ist, bis sie verstummen und ich vorbeikann.
    Für gefühlte Stunden,Tage, Monate bin ich in der Dunkelheit. Ich werde selbst zu Dunkelheit, sie sickert in mich hinein und versucht sich durch mich hindurchzufressen. Sie lullt mich mitVersprechungen von Schlaf und R uhe ein. Sie flüstert mir zu, doch einfach nachzugeben. Sie wird mich ewig beschützen.
    Von Herzen gern möchte ich daran glauben. Ich zittere vor Erschöpfung, spüre weder Finger, Zehen, Knie, noch Ohren und Lippen in der erdrückenden Kälte und dem Eis. In mir ist nichts mehr. Ich bin nur ein Körper, gefangen in einem zeitlosen Raum. Für einen Moment fühle ich mich wieder so wie als Kind auf dem Pfad mit Elias. Meine Schwester ist hinter mir, weint und bittet mich, zu ihr nach Hause zu kommen.
    Elias streckt seine Hand aus, um mich voranzuziehen, aber seine Finger entgleiten mir immer wieder. Ich rufe nach Catcher. Nach irgendwem. Um Hilfe. Doch die einzige Antwort ist das Stöhnen. Der Gestank nach verbrauchter Luft.
    Stolpernd bleibe ich stehen und drehe mich um.War es das?, frage ich mich. Ist das nun das Ende derWelt? Ich denke an all die anderen Menschen, die mit diesem Moment konfrontiert waren. Ich denke an Catcher, der mir von der Nacht erzählt hat, in der er auf die Achterbahn geklettert ist und die Höhenangst verloren hat, weil derTod schon an ihm nagte. Er hatte nichts mehr zu verlieren.
    Und mir wird klar, dass das der Unterschied ist. Mir wird klar, dass ich immer noch alles zu verlieren haben: die Aussicht auf ein Leben mit meiner Schwester, Elias, Catcher – und meine Zukunft. Ich würde Sonnenaufgänge verlieren und Sterne und Catchers Hitze. Der Geschmack von Schnee und der Duft der ersten Frühlingsblumen würde mir entgehen. Das Lachen undWeinen und all die Augenblicke dazwischen.
    Ich stolpere zurück in die Dunkelheit und gehe weiter in dem Wissen, dass ich jetzt nur Schmerz empfinde, weil mein Körper lebendig ist.
    Die Geräusche und der Luftzug verraten, wenn dieTunnel in Stationen münden oder derWeg vor mir sich gabelt. Ich lasse einfach immer eine Hand an derWand und gehe weiter. Meine Schritte werden so mechanisch, dass ich verblüfft bin, als ich an einen riesigen Schutthaufen stoße.
    Ich weiß nicht mal, wie ich diese Information verarbeiten soll, so überrascht bin ich, und ich brauche einen Moment, bis ich begreife: Das war es jetzt.Weiter kann ich nicht gehen. Ich bleibe in der Dunkelheit stehen, und das ewig präsente Stöhnen vibriert in der Luft.
    Die Ungeweihten sind nicht weit hinter mir, da bin ich mir sicher, ich habe kaum noch laufen können. Ich weiß nur, dass ich an diesem Hindernis vorbei- und weitermuss . A lso stecke ich die Machete in den Gürtel und taste mich über Schutt und kleine Steine, bis ich etwas bemerke.
    Ich höre den Wind und lehne mich vor, es ist wärmer geworden und riecht frisch und sauber … wie draußen.
    Aufregung durchzuckt mich, gibt mir einen Schub frischer Energie. Ich streiche mit den

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