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Die Stadt der tausend Schatten: Roman (German Edition)

Die Stadt der tausend Schatten: Roman (German Edition)

Titel: Die Stadt der tausend Schatten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carrie Ryan
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Kraft, die meinen Körper antreibt. Doch ich habe dazugelernt. Dieses Mal renne ich nicht. Bis zur Achterbahn ist es noch weit, ich will mich nicht überanstrengen. Mit der Laterne vor mir achte ich auf meine Schritte, damit ich nicht falle. MehrWunden kann ich mir nicht leisten. Kein Blut mehr.
    Das einzige Problem ist, dass mein Körper beim Gehen nicht genug Hitze entwickelt, schon bald werden Finger und Zehen taub. Ich wickele meinen neuen Mantel fester um mich, denke an das Feuer auf dem Dach vorhin, als wir den Ballon aufgeblasen haben . A n die Hitze von Catchers Haut auf meiner.
    Schon bei dem Gedanken fange ich an zu zittern.
    Ich komme mir vor wie ein winziges Glühwürmchen, das sich über dem Ozean verirrt hat – ein winziges helles Licht umgeben von einer so tiefen Dunkelheit, dass ungewiss ist, ob es dieWelt überhaupt gibt. Das Gefühl für Zeit und Raum ist verfälscht, ich stelle fest, dass ich Schritte zähle, nur um sicher zu sein, dass ich mich vorwärtsbewege.
    Ich weiß nicht mehr, wann ich das letzte Mal gegessen habe, und hole mir Eis von den Wänden gegen den Durst. Meine Füße sind so schwer, deshalb schleife ich sie mit.
    Schließlich wird der Boden glatt, und ich halte mich an der eisbedecktenWand fest, um nicht zu fallen. Meine Schritte knirschen und rutschen imWechsel, wie leicht man da das Gleichgewicht verliert. Jedes Mal, wenn ich auf die Knie falle, dauert das Aufstehen länger – und dieToten rücken näher.
    Jedes Mal, wenn ich zögere, verringert sich der Abstand.
    Ich bin so müde. Mein Körper ist erschöpft.Verausgabt.
    Das ist die wahre Brutalität der Ungeweihten. Mein Körper ermüdet und ihrer nicht. Meine Muskeln krampfen und verhärten sich, ihre nicht. Ich wünsche mir nichts sehnlicher, als mich für einen Augenblick auszuruhen, und sie kennen nur den Hunger, der sie ewig hinter mir herstolpern lassen wird.
    Jeden Schritt, den ich nicht tue, machen die Ungeweihten.
    Und irgendwann werde ich stehen bleiben müssen. Zum Schlafen. Zum Essen undTrinken. Zum Durchatmen.
    Ich kann nicht ewig weitergehen. DieToten schon.
    Dieses Wissen sollte mich eigentlich zerbrechen. Hätte uns längst alle zerbrechen sollen.
    Doch das hat es nicht.Weder meinenVater noch meine Mutter, ihre Eltern nicht oder die Generation davor.
    Und wenn ich eines gelernt habe, als ich mich allein durchgeschlagen habe, dann, dass ich noch einen Schritt machen kann. Ich muss mir nur eines versprechen: jetzt noch einen Schritt – und dann erst darf ich mir über den nächsten Gedanken machen.
    Noch einen Morgen: Nur darauf muss ich mich konzentrieren.
    Das mache ich also. Ich fange an zu summen, ein zittriges Geräusch, die Muskeln in den Armen und an der Brust ziehen sich zusammen in der Kälte.
    Mein Hals tut weh, der Mund ist ausgetrocknet, deshalb streiche ich mit den Händen über das Eis an derWand und betupfe meine Lippen mitWassertropfen. Es schmeckt alt und abgestanden. Metallisch, wie Blut.
    Eine Minute, eine Stunde, einTag oder eineWoche könnten vergangen sein, ich weiß es nicht. Nur eines weiß ich: erst einen Fuß, dann den anderen. Ich weiß auch, wie sich die gefroreneWand unter meinen halbtauben Händen anfühlt. Ich kenne das Gefühl auszurutschen, diesen Augenblick, in dem ich glaube, ich kann mich noch abfangen, kurz bevor ich auf dem Boden aufschlage.
    Und ich weiß auch, wie ich wieder auf die Beine komme, übersät von blauen Flecken. Stöhnen jagt mich, das Geräusch ist immer da und ebenso wenig wegzudenken wie das Atmen.
    Immer tiefer geht es unter die Erde, das Eis unter den Füßen wird dicker, der ganzeTunnel ist voll davon. Bald muss ich gebückt gehen, damit ich mir nicht den Kopf an der Decke stoße. Immer schwieriger wird es, das Gleichgewicht auf der glatten Fläche zu halten, schließlich schlage ich mit einerWucht hin, die mir die Luft nimmt, und meine Laterne fliegt in hohem Bogen davon.
    Während ich daliege und mich zum Atmen zu überreden versuche, flüstern Schatten ringsum.
    Ich wälze mich auf die Knie, erkenne die Formen: verdrehte Arme, gestreckte Finger, klaffende Münder, blicklose Augen. Eis brennt auf meinen Knien und den Handflächen. Ich muss die Kiefer aufeinanderpressen, damit meine Zähne aufhören zu klappern.
    Teile der Leichen ragen aus dem Eis, eingefroren in der Zeit. Finger wie Grashalme auf einer Wiese, ein Ellenbogen wie ein abgebrochener Ast. Sie sind überall, sie umzingeln mich. Meine Laterne liegt in einer Nische ein paar Armlängen

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