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Die Stadt der tausend Schatten: Roman (German Edition)

Die Stadt der tausend Schatten: Roman (German Edition)

Titel: Die Stadt der tausend Schatten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carrie Ryan
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und rüttele weiter an den Steinen, um die Lücke zu vergrößern.
    »Denk mal drüber nach«, sagt er und ignoriert, dass ich ihm keine Aufmerksamkeit schenke. »Was macht uns schwach? Dummheit, Liebe,Wut, Hoffnung. Die Untoten haben das nicht. Ewiges Sein ist alles, was sie haben.«
    »Sie haben kein Leben«, brülle ich. »Im wahrsten Sinne desWortes«, ergänze ich, worüber er lächeln muss. Seine Zähne schimmern in der Dunkelheit. Es macht mich traurig, dass seine letzten Augenblicke so aussehen.
    Er legt den Kopf schräg. »Das ist doch die Frage, oder?Was ist Leben und was ist Dasein?« Er atmet wieder tief durch und noch einmal, als ob er gar nicht genug Luft bekommen könnte. Ich wühle in den Steinen, denn ich weiß, sobald er stirbt, wird er sich wandeln, und nach ihm werden noch mehrTote kommen. »Was würdest du wählen?«, fragt er mit rauer Stimme.
    Ich lege einen Stein zur Seite, falls ich ihn gegen ihn einsetzen muss. Meine Machete ist auch in R eichweite. Das R umpeln der sich näherndenToten lässt mich hektisch werden.
    »Was ist denn das für eineWahl?«, erwidere ich. »Das eine bringt Schmerz, das andere Dumpfheit.«
    Sein Lächeln wird breiter, er genießt das. »Ist das nicht die Frage des Lebens?«
    Ich antworte nicht. Ich grabe.
    »Ich weiß, du hältst mich für einen schlechten Menschen, Annah«, sagt er leise. Ich schaue ihn an. Er hat sich auf die Seite gewälzt und ringt nach Luft. Ich bin der letzte Mensch, mit dem er je reden wird. Der letzte Mensch, den er je sehen wird – zumindest so lange er noch am Leben ist.
    »Ich glaube, wir treffen alle unsereWahl«, antworte ich leise.
    Und dann hört er auf zu atmen.
    Ich greife nach der Machete und laufe auf ihn zu, hoffe, es zu Ende zu bringen, bevor er sich wandeln kann, doch auf halbemWeg wird mir klar, wie ohrenbetäubend das Stöhnen in denTunneln geworden ist. Ich erkenne den Rhythmus unter meinen Füßen wieder, er ist so gleichförmig, dass ich mich schon daran gewöhnt habe. Die Luft um mich herum gerät in Bewegung, und als ich aufschaue, sehe ich als Erstes ihre Augen.
    Sie kommen mich holen, eineWand in der Ferne. Ich schaue wieder zu Ox, die Machete so fest umklammert, dass meine Finger schmerzen. Er zuckt schon, sein Mund öffnet sich, er schreit laut, bevor seine Stimmbänder versagen und er sich hochrappelt.
    Nacktes Entsetzen steigt in mir auf, so eisig wie Winterwasser. Es droht mich zu lähmen, aber ich durchbreche die Starre und renne wieder auf den Schutthaufen zu.
    Sie sind hinter mir her, schlurfend, stolpernd, mit tiefem Stöhnen. Ich reiße an derWand aus Steinen, versuche noch einmal, mich durch den Spalt zu zwängen. Er ist immer noch zu schmal.
    Immerzu muss ich mich umschauen, ein krankerTeil von mir will einfach wissen, wie viel Zeit mir noch bleibt. Einen kurzen Moment lang denke ich sogar daran, die Machete gegen mich zu richten, mir einen Arm abzuschneiden, damit ich durch die Öffnung passe, aber das wäre sinnlos. Ich würde verbluten, bevor ich nach draußen gelangen könnte.
    Und da verlöschen die letzten Flammen des Feuers, abermals werde ich in die Dunkelheit gestürzt. Nur ein winziger grauer Schein kommt aus dem Spalt, den ich geschaffen habe, ein Keil von etwas Hellerem, der wie ein Messer durch die Schwärze schneidet.
    Neben mir bewegt sich etwas, und ich brülle und schwinge wie wild die Machete. Zuerst schneidet sie nur durch die Luft, aber ich hole noch einmal aus und spüre, wie sie auf Ox’ Fleisch trifft.
    Das Stöhnen hält an. Mehr Leichen stolpern die Gleise entlang. Sie kommen immer näher. Einen Ausweg gibt es nicht. Es wird nie einen geben.
    Sie werden mich erdrücken, und dann werde ich ziellos herumwandern wie sie, bis es kein Fleisch mehr zu essen gibt. Für immer hier eingeschlossen.
    Bei dem Gedanken schreie ich vorWut auf, schwinge die Machete in hohem Bogen durch die Luft und fühle, wie sie sich in einen Körper bohrt. Mit aller Kraft schubse ich die Leiche zurück, dann tauche ich durch die Dunkelheit in den Schutthaufen ab.
    Das ist jetzt meine letzte Chance, das weiß ich. Entweder quetsche ich mich durch die Lücke, oder ich werde zur Ungeweihten. Mit den Füßen stoße ich mich vom Boden ab, es ist mir egal, dass die Steine meine Rippen malträtieren und mir die Haut an den Hüften in Fetzen reißen.
    Aber ich bin immer noch zu groß. Ich taste nach irgendetwas auf der anderen Seite, an dem ich mich festhalten kann, doch ich fühle nur Stein und Erde und Eis.
    Etwas

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