Die Stadt im Spiegel: Roman (German Edition)
nur Bohnen oder Paprikagulasch mit Geflügel.
Damals arbeitete ich an dem Roman Blume ohne Wurzeln , mühte mich ab, aber es gelang mir kaum eine halbe Seite am Tag. Abends zweifelte ich an allem, was ich geschrieben hatte. Ich hatte irgendwo gelesen, Uferlosigkeit sei für einen Prosaschriftsteller zerstörerisch, einem Lyriker aber förderlich. Mir waren Schriftsteller eigentlich immer verdächtig vorgekommen, denen alles gleich gut gelang und die sich blindlings ins Unbekannte stürzen konnten. Aber dennoch schien es mit meinem Manuskript voranzugehen, schließlich hatte ich schon etwa hundert eng beschriftete Seiten geschrieben. Ein paar gelungene erotische Passagen waren darunter, die ich ständig manisch umschrieb und kodierte, weil ich Angst vor Zensur hatte. In diesem Heft hielt ich fest, dass zwischen Verlobten all das erregend wirke, was im Grunde in den ersten beiden Monaten eine Art Abarbeiten am anderen sei. »Viele Wunden, für nichts und wieder nichts« – die ganzen leidenschaftlichen Kratzer, Nagelspuren und Knutschflecken am Hals entsprachen eigentlich gar nicht unserem Begehren. Ich verstand erst zu spät, dass sie mir nur etwas vorgespielt hatte. Und als das Kätzchen sich langsam beruhigte, lachte sie über mich, wenn ich sie so wie am Anfang lieben wollte. Es störte sie einiges, sie mied es nun, Sex zu haben, und brachte es bei zwei, drei Gelegenheiten fertig, mich als einen Grobian darzustellen. Dabei war ich nie grob zu ihr. Ich bereue es nur, dass ich ungeduldig war, und es gelang mir auch nie, sie wirklich zu verführen. Und wenn sie selbst Lust hatte, dann redete sie mehr als dass sie zu genießen in der Lage gewesen wäre. Sie schaffte es, »ihren Partner vom Höhepunkt abzubringen«, wie es in einem Buch hieß, aus dem wir uns im Bett vorlasen und das den Titel »Wie man Liebe macht« hatte. Meinen Berührungen entzog sie sich. Manchmal, wenn es am aufregendsten war, sagte sie: »Mach mal langsam, du schmiedest hier keine heißen Eisen, sondern machst Liebe mit einer Frau.« Etliche Male rutschte sie unter mir zur Seite, drehte sich weg und fing unerwartet an zu weinen und machte mir Vorwürfe, die sie auch noch immerzu wiederholte. »Du bespringst doch keine Stute, das ist doch nicht ein wilder Ritt über die Wiesen, was wir hier machen.«
Ihre Vergleiche oder ihre Ideen von Metaphern zu Ehren des Liebesaktes waren grobschlächtig, zudem aber entmutigend, sie blockierten mich völlig und ich schaffte es kaum, mich wieder als Mann zu fühlen. Hin und wieder erwischte ich mich später dabei, dass ich meinen ganzen seelischen Schaden auf die erotischen Schockerlebnisse mit dieser verrückten Frau zurückführte. Die unzähligen Male, in denen sie mich demütigte, würden diesen literarischen Rahmen sprengen, wenn ich mir die Mühe machte, sie aufzuzählen. Ich fürchte mich nicht davor, mir selbst zu begegnen und mich auch dabei zu demontieren, aber diese Art der Selbstkreuzigung wäre an dieser Stelle sinnlos. Jeder Mann wäre entsetzt gewesen, wenn er sich das hätte anhören müssen, was Eva mir zumutete. Hysterisch kratzte sie den halben Putz von der Wand und sagte, sie werde mir ein Messer in den Bauch rammen, wenn ich es noch einmal wagen sollte, meinen »Rotz« auf ihrem »sauberen Körper« zu entladen. Für sie war Sperma etwas Ekelerregendes und es löste Assoziationen von Krankheit in ihr aus, es war und blieb für sie schmutzig. Der Baum der Erkenntnis war ihr egal. Ich weiß, das ist vielleicht ein zu hoch gegriffenes und unpassendes Wort, aber es reicht nicht aus, einfach nur Eva zu heißen, um vital zu sein. Wenn ich damals ein bisschen Ahnung von geistigen Welten gehabt hätte, dann hätte ich ihr die Frage gestellt, ob denn eine Kerze, die brennt, nun brennt oder nicht. Aber jetzt hat es gar keinen Sinn, sich an solche Einzelheiten zu erinnern, weil die Kerzen für diese Erinnerungen langsam, aber sicher abbrennen. Und als es so aussah, dass wir uns einander wieder zärtlich annähern konnten, unser Bett wieder ein kleiner Liebesthron wurde, stieß sie mich mitten im schönsten Teil des Aktes wie eine Wilde von sich, mit einer so brachialen Kraft, als hätte eine fremde Macht von ihr Besitz ergriffen und als sei ich das Böse an sich, das sie zu seinen eigenen Gunsten erniedrigt hatte. »Das hier geht nicht mehr«, schrie sie und rannte ins Badezimmer.
Sie duschte lange, und als sie im Bademantel zurückkam, sagte sie mit ruhiger Stimme: »Wir müssen uns so schnell
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