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Die Stadt im Spiegel: Roman (German Edition)

Die Stadt im Spiegel: Roman (German Edition)

Titel: Die Stadt im Spiegel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mirko Kovac
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wie möglich voneinander trennen, das hier ist völlig sinnlos.«
    Wir lösten unsere Verlobung auf, ich gab ihr den Ring zurück. Sie bat mich, alles zu behalten, was sie mir in der Zeit unserer Verlobung gekauft hatte, aber alles, was ich besaß, passte ohnehin in eine kleine längliche Sporttasche. Ich blieb noch eine Woche, um mein Abenteuer nicht mit einem vulgären Nachgeschmack ausklingen zu lassen. Evas Vater war jeden Abend mit dem Schleifen der Messer beschäftigt, mit denen die Schweine geschlachtet werden sollten – direkt vor der Tür, hinter der wir versuchten, uns in Achtung voneinander zu verabschieden. Im Obstgarten hatte Tibor zwei Gräber freigelegt, niemand wusste, was das überhaupt sollte, und wenn er kein Fatalist oder Theosoph war, der sich mit einem so abgründigen Thema wie der Todesmystik beschäftigte, dann war das mehr als rätselhaft. Eva hatte manchmal von der »Vorhersehbarkeit des Todes« gesprochen, aber für mich war das alles ein großes Enigma, deshalb lachte ich nur und bat sie, sich doch ein bisschen mit mir zu unterhalten. Freie Assoziationen erheiterten mich, ich liebte es, wenn das Gespräch mit ihr ein kleines Abenteuer wurde. Eva konnte das gut, wie ein Fisch im Wasser bewegte sie sich geschickt in ihren Geschichten und wurde beim Erzählen immer abstrakter. Und es war diese labyrinthische Ebene in ihrem Charakter, die ihren besonderen Charme ausmachte.
    Dann verließ ich eines Morgens endgültig das Haus, es war niemand da; noch im Morgengrauen waren Tibor und Marta mit dem Traktor aufs Feld gefahren und Eva kam in diesen Tagen gar nicht mehr nach Hause, sie hatte einen neuen Geliebten, einen Arzt, der seine ersten Praxisräume nach dem Studium in Belgrad im Haus der Gesundheit zugewiesen bekommen hatte. Beim Weggehen drehte ich mich ein letztes Mal um und sah mir das Haus an, in dem ich wie in einer parallel zur normalen verlaufenden Zeit gelebt hatte, es war eine Zeit wie in einem zähen Traum, in dem ich mit einer schönen Frau als Liebender gekämpft hatte, in dem ich gut gespeist und in frischen Laken geschlafen, Erfahrungen gemacht und mich gemaßregelt und die Gerüche und den Geschmack der Vojvodina kennengelernt hatte. Bis heute ist das meine melancholische Schwachstelle; wenn mein Weg mich in diese Gegend führt, hallt alles Erfahrene wieder in mir nach. Beim Abschied war nur der Hund da. Es war ein friedfertiger Bauernhund, der mich traurig ansah und vor der Tür heulte. Ich streichelte ihn und sagte: »Mach’s gut und pass auf das Haus auf!«
    Ich ging zum Bahnhof, an der Haltestelle war weit und breit kein anderer Reisender zu sehen, man hörte keine Stimmen aus dem Bahnhofshäuschen, kein Surren oder Klopfen des Telegrafen war zu vernehmen. Alles war still, nur im Osten leuchtete in der Ferne betörend die Sonne. Dieser feierliche Augenblick wiederholte sich jeden Morgen, auf die gleiche verschwenderische Art und Weise erhellte sich diese flache Einöde.
    Ich ging müde am Gleis entlang, hoch und wieder runter und hörte dann auf einmal Schritte, jemand näherte sich mir von hinten, und als ich mich umdrehte, stand Eva vor mir, sie blieb in einer kleinen Distanz vor mir stehen und sah mich mit ihren großen Augen an. Sie trug schwarze Stoff-Espandrillos mit Schnüren, die sie bis unter die Knie geschlungen und dort gebunden hatte. Sie trug einen kurzen Rock und eine Seidenbluse, und wenn sie sich bewegte, fiel ihr Pferdeschwanz zwei, drei Mal auf die Schultern, so »als scheuche er auf diese Weise die Fliegen der Vergangenheit fort« – das waren die Worte, die ich mir später im Zug notierte. Ich weiß nicht, was mich dazu getrieben hatte, diesen Satz niederzuschreiben, denn er entsprach nicht meinem Stil. Ihr Auftauchen am Gleis hatte mich gerührt, sie hatte mich dadurch verwirrt, und es gelang mir nicht, etwas Sinnvolles zu sagen, mir fiel auch nichts Fröhliches ein, was uns hätte im Gedächtnis haften bleiben können, denn es hatte mich gefreut, sie dort zu sehen. Ich habe sie viel zu heftig an mich gezogen, festgehalten in meinen Armen und ihr einen Kuss auf den Mund gegeben, ich tat es ungeschickt und eigenmächtig, hastig noch dazu. Eva riss sich los, ging einen Schritt nach hinten, ihre Brüste sprangen in die Höhe, ich konnte sie unter ihrer Seidenbluse genau sehen, jede Bewegung von ihr wurde zu einer Grenze für mich, ich durfte sie nicht mehr überschreiten, sie hatte es mir deutlich mit ihrem ganzen Körper gezeigt. Dennoch war sie nicht

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