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Die Stadt in den Sternen (German Edition)

Die Stadt in den Sternen (German Edition)

Titel: Die Stadt in den Sternen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas R. P. Mielke
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glühende Kohlen gehen konnten. Diese Frauen wurden Hexen genannt, weil ihre Umwelt nicht bereit war, physikalische Merkwürdigkeiten zu akzeptieren. Das gleiche gilt für uns, meine Herren. LEVITAD, die schwebende Stadt, ist die Summe angewandter Naturwissenschaften. Warum, zum Teufel, weigern wir uns dann, an das Wunder menschlichen Lebens auf der verseuchten Erdoberfläche zu glauben ...«
    »Sie widersprechen sich selbst«, stellte Lavrans fest.
    »Ja – weil ich bereit bin zu lernen«, sagte Dr. Ragano. Er schaute seine dreizehn Kollegen an. Zwei oder drei bedachten ihn mit wohlwollenden Blicken, der Rest ließ ihn nur kalte, verständnislose Ablehnung spüren.
    Der Chef des Instituts für Sicherheit und öffentliche Ordnung blickte verstohlen auf seine Uhr. Wenn seine Planung korrekt war, mußte in wenigen Sekunden der Mann von der Erde im Versammlungsraum auftauchen. Dr. Ragano hatte bewußt auf Zwischenberichte verzichtet. Er vertraute darauf, daß seine Männer ganze Arbeit leisten würden.
    Noch ehe Lavrans oder einer der anderen Ressortchefs irgendeine Entgegnung anbringen konnten, öffnete sich plötzlich die große Verbindungstür. Zwei Sicherheitsbeamte traten ein. Sie führten einen Kurier vom Institut für Sicherheit und öffentliche Ordnung in den Raum. Lavrans hob die Hand und gab damit die Genehmigung für den Kurier, mit Dr. Ragano zu sprechen. Die beiden Männer flüsterten nur wenige Sekunden miteinander. Dann sprang Dr. Ragano hastig auf. Er eilte auf Lavrans zu, murmelte eine Entschuldigung und verließ hastig den Raum. Verstört blieben die übrigen Ressortchefs zurück. Lavrans sah lange vor sich hin. Dann hob er plötzlich den Kopf, nickte und sagte: »Wir werden mit dem Mann von der Erde nicht in Kontakt treten können! Die Lepras haben ihn ...«
    *
    Seine Arme arbeiteten wie Dreschflegel. Wahllos schlug Reanny auf alles ein, was sich ihm in den Weg stellte. Er hatte zu spät begriffen, daß die Menschen in der schwebenden Stadt keine Einheit darstellten. Er kannte nur wenige Bewohner dieser Stadt, und doch fiel es ihm bereits schwer, ihre Unterschiedlichkeit zu verstehen.
    Auf Semisopochnoi gab es nur die Familie, mit der er verwandt war, und andere, die sich freiwillig seinen Anordnungen unterstellten, um dazuzugehören. Hier galten andere Gesetze. Für Reanny war es unheimlich, daß es in LEVITAD keine klare hierarchische Struktur gab. Einerseits unterstellten sich die Einwohner der Stadt irgendwelchen Anordnungen von oben, andererseits bildeten sie Gruppen und bekämpften einander. Das war neu für ihn – unverständlich, ja widersinnig.
    Er wußte nichts von Sozialpsychologie. Auf Semisopochnoi war alles klar, direkt und einfach gewesen. Reanny konnte nicht ahnen, daß eine in sich abgeschlossene Stadt mit vielen tausend Einwohnern sich damit nicht vergleichen ließ. Er fühlte instinktiv, daß seine Anwesenheit in LEVITAD für gewisse Personen ein Triumph, für andere aber ein Schock sein mußte. Selbst in der Gruppe der Tafelrunde hatte es scharfe innere Gegensätze gegeben. Er wußte, daß er die Lebensordnung der Levitaner auch in vielen Jahren nicht begreifen würde. Doch das war noch nicht das Schlimmste. Er mußte für sich selbst sorgen. Er erkannte, daß er ein Störfaktor war – eine Handvoll Sand in einem ungeheuer komplizierten und aufeinander eingespielten System.
    LEVITAD reagierte wie ein lebloser Körper. Die Stadt stieß ihn ab wie einen tödlichen Bazillus. Alle, die von ihm wußten, wollten ihn einkapseln, isolieren und unschädlich machen. Dabei behinderten sich die einzelnen Gruppen gegenseitig.
    Reanny wußte nicht, gegen wen er kämpfte. Er schlug einfach zu. Es war ihm gleichgültig, wen er traf. Die verringerte Schwerkraft verlieh ihm Riesenkräfte. Seine hämmernden Arme bahnten ihm eine Gasse. Schneller als Reanny es je für möglich gehalten hätte, entstand ein Menschenauflauf. Die Leute rannten hin und her. Sie schrien durcheinander, ohne zu wissen, worum es eigentlich ging. In seinem ganzen Leben hatte Peter Reanny noch nie so viele Menschen auf einen Haufen gesehen. Sie machten ihn nervös. Er fühlte sich eingekreist. Immer schneller stießen seine starken Arme gegen langaufgeschossene, empfindliche Leiber. Er schleuderte sie zur Seite. Schnaufend und keuchend drängte er sich bis zu einer Hauswand vor.
    Über den Dächern von Saint Germain jaulten Sirenen auf. Reanny lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand. Seine Knie zitterten. Der Ring aus

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