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Die Stadt - Roman

Titel: Die Stadt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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des Apfels auf halbem Weg zum Mund.

    »Es war ein Wink mit dem Zaunpfahl und fast schon zu viel des Guten. Dort oben, mitten im Wirkungsfeld der Maschine, sind meine Möglichkeiten begrenzt. Dort unterliege auch ich der besonderen Logik der Maschine, soweit man dabei von Logik sprechen kann.«
    »Und Kowalskis Messungen«, erinnerte sich Benjamin. »Die Anzeigen seines Unheilsmeters …«
    »Wie ich schon sagte: Kowalski ist nicht annähernd so verrückt, wie viele glauben.«
    »Wieso ist Ben eine Anomalie?«, warf Louise ein.
    »Wegen seiner Erinnerungen, nehme ich an. Der Tod ist ein Dieb, wisst ihr. Besser gesagt: Die Jenseitsmaschine ist ein Dieb. Bei jedem Tod stiehlt sie Erinnerungen. Fragt mich nicht, warum und was genau sie damit anstellt – das haben sie mir damals nicht erklärt. Aus einigen dieser Erinnerungen baut sie die Stadt. Sie benutzt sie gewissermaßen wie Blaupausen, denn hier geht es um Erwartungen, Teuerste.« Laurentius lehnte sich zurück. »Die Maschine reagiert auf das, was die Toten vom Jenseits erwarten.« Plötzlich lächelte der Alte wieder. »Deshalb wäre Benjamin durchaus imstande gewesen, den Supermarkt zurückzubringen. Das habe ich Hannibal gesagt, und es war nicht gelogen.«
    »Das mit der Anomalie verstehe ich noch immer nicht ganz«, sagte Louise. »Ebenso unklar bleibt mir, warum wir uns nicht erinnern. Ich weiß, ja, ich habe mir das Leben genommen, wie die Traurige – Françoise – in Bens Institut. Aber ich bin Louise.«
    »In Benjamins Kopf herrschte dank Townsend ein riesiges Durcheinander, mein Kind«, antwortete Laurentius, griff nach seinem Becher und trank einen Schluck Tee. »Und dieses
Durcheinander übertrug sich auf die Maschine. Deshalb schlugen die Zeiger von Kowalskis Katastrophenmeter aus. Weil die mit Chaos konfrontierte Maschine versuchte Ordnung zu schaffen. Nun, ihr Lieben, es ist eine kluge, aber keine intelligente Maschine, wenn ich so sagen darf. Sie nahm hier Erinnerungen und stopfte dort Löcher mit ihnen. Aber das ging nur kurze Zeit gut, und es dauerte nicht lange, bis die Pendel der Kohärenz in Bewegung gerieten.«
    »Die Pendel der Kohärenz?«, wiederholte Louise und verdrehte die Augen. » O Mann, ich hätte auf den verdammten Apfel verzichten sollen. Sind wir auf einem Trip, Ben? Bilden wir uns das alles nur ein?«
    Benjamin hielt seine Gedanken fest, die wie welkes Laub im Wind davonwirbeln wollten, in Richtungen, die ihm nicht behagten.
    »Dein Benjamin ist beschäftigt«, sagte Laurentius und grinste. »Mit sich selbst. Er sträubt sich noch.«
    »Er sträubt sich?«, fragte Louise. »Wogegen?«
    »Wogegen sträuben sich die Menschen meistens, meine Liebe? Gegen die Wahrheit. Wo waren wir stehen geblieben?«
    »Bei Pendeln, Kohärenz und einer Maschine, die zwar klug ist, aber nicht intelligent, was auch immer das heißen mag«, sagte Louise bissig.
    »Ja, genau, meine Liebe. Genau.« Laurentius schürzte kurz die Lippen. »Die Pendel der Kohärenz – ich kann sie euch zeigen, wenn ihr wollt – setzten sich also in Bewegung, und das geschieht, wenn die Maschine versucht ein Gleichgewicht wiederherzustellen. Doch mit seinen chaotischen Erinnerungen und den vielen Verbindungen zu jenen, die Benjamin,
äh, ins Jenseits beförderte, störte er dieses Gleichgewicht, und deshalb musste er aus der Stadt entfernt werden.«
    »Die Schatten«, sagte Benjamin. Die Gedanken entglitten ihm. »Weißt du noch, Louise? Die Schatten, die es unmittelbar nach meinem Erscheinen in der Stadt auf mich abgesehen hatten?«
    Laurentius nickte. »Sie sollten dich fortbringen, ja.«
    »Aber das klappte nicht.«
    »Nein, und deshalb blieben die Pendel der Kohärenz in Bewegung. Die Maschine schickte weitere Schatten. Stellt sie euch wie Antikörper eines lebenden Organismus vor, nur dass sie in diesem Fall Teil der Maschine sind. Oder vielleicht auch nicht.« Der zerfurchten Stirn des Alten gesellten sich weitere Falten hinzu. »Manchmal denke ich darüber nach, wisst ihr. Zeit dafür habe ich ja genug, wenn ich hier unten bin. Ja, und manchmal habe ich gedacht, dass sie vielleicht gar nicht Teil der Maschine sind, sondern zu ihnen gehören.«
    Louise gab ihren Platz am Feuer auf und kam zum Tisch, die Decke um die Schultern geschlungen. Sie setzte sich neben Benjamin und rückte nahe an ihn heran, als suchte sie seine Wärme. »Zu ihnen«, brummte sie. »Hat das ebenfalls was mit der Kohärenz zu tun?«
    »Wie man’s nimmt«, erwiderte Laurentius. »Könnte

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