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Die Stadt und die Stadt

Die Stadt und die Stadt

Titel: Die Stadt und die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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KTU.«
    »Eine Unmenge Zeug«, sagte ich. Corwi war gekommen. An beiden Enden der Passage stauten sich Neugierige, schauten den Technikern bei der Arbeit zu. »Diesmal haben wir nicht das Problem von zu wenig Spuren, diesmal sind es zu viele.
    Also. Nehmen wir einfach mal als gegeben an, dass Fulana hier drin transportiert wurde, und der Rost, den Shukman von ihr abgewaschen hat, stammt von diesem Schrott und dieser Ladefläche.«
    Die entsprechenden Anhaftungen hatten sich in ihrem Gesicht befunden und überall an ihrem Körper, nicht vornehmlich an den Händen. Daraus folgte, sie hatte nicht versucht, den gegen sie rollenden Müll abzuwehren oder ihren Kopf zu schützen. Sie war bewusstlos oder tot gewesen, als sie in dem Lieferwagen lag und mit dem ganzen Gerümpel hin und her geworfen wurde.
    »Warum karrt jemand diesen ganzen Dreck durch die Gegend?«, wunderte sich Corwi.
    Nachmittags hatten wir Namen und Adresse des Fahrzeughalters und am nächsten Morgen die Bestätigung, dass es sich bei dem Blut um das Fulanas handelte.
 
    Der Mann hieß Mikyael Khurusch. Er war der dritte Besitzer des Lieferwagens, offiziell wenigstens. Er war vorbestraft, hatte zwei Mal wegen Körperverletzung gesessen und wegen Diebstahl, das letzte Mal vor vier Jahren. Und - »Sieh an!«, sagte Corwi - er war wegen unzüchtigen Verhaltens verhaftet worden, hatte eine Polizistin angesprochen, die undercover auf dem Straßenstrich Dienst tat. »Wir wissen also, er ist ein Freier.«
    Seither hatte er sich nichts mehr zuschulden kommen lassen, jedenfalls nach unseren Akten, und verdiente seinen Lebensunterhalt als Geschäftsmann, der auf den zahlreichen Märkten der Stadt allerlei Kram und Krempel verkaufte und an drei Tagen die Woche auch in einem Laden in Mashlin, im Westen Besźels.
    Wir hatten eine Verbindung zwischen ihm und dem Lieferwagen und dem Lieferwagen und Fulana - was wir brauchten, war eine direkte Verbindung zwischen ihm und ihr. Ich ging in mein Büro und hörte meine Nachrichten ab. Etwas Arbeitsbeschaffung im Fall Styelim, ein Update von der Einsatzzentrale, was die Plakate anging, und zwei Anrufer hatten wortlos aufgelegt. Seit zwei Jahren versprach unsere Vermittlung, das System zu optimieren und Anruferkennung möglich zu machen. Ha!
    Wie erwartet, hatte es auf die Plakataktion hin viele Anrufer gegeben, die behaupteten, Fulana zu kennen, aber nur wenige erweckten den Eindruck, sie seien ernst zu nehmen - die Leute, die diese Anrufe entgegennahmen, verstanden sich darauf, die Spinner und die Böswilligen auszusortieren und waren zu einem erstaunlichen Grad korrekt in ihrem Urteil. Die Tote war eine Rechtsanwaltsgehilfin in einer kleinen Kanzlei im Bezirk Gyedar, die man seit Tagen nicht gesehen hatte, oder sie war, behauptete eine anonyme Stimme, »eine Schlampe namens Rosyn, genannt ›Die Schnute‹, und mehr erfahrt ihr nicht von mir«. Die uniformierten Kollegen gingen den Hinweisen nach.
    Ich teilte Kommissar Gadlem mit, dass ich Khurusch in seinem Haus einen Besuch abstatten wollte, mit ihm reden, ihn überreden, sich freiwillig Fingerabdrücke abnehmen zu lassen, eine Speichelprobe abzugeben, überhaupt zu kooperieren. Sehen, wie er reagierte. Weigerte er sich, konnten wir uns per Vorladung seiner dann unfreiwilligen Mitarbeit versichern und ihn im Auge behalten.
    »In Ordnung«, meinte Gadlem. »Aber lassen Sie uns keine Zeit verschwenden. Wenn er sich stur stellt, nehmen Sie ihn in Gewahrsam und bringen ihn her.«
    Ich nahm mir vor, auf diese Maßnahme tunlichst zu verzichten, auch wenn das Gesetz von Besźel uns die Möglichkeit an die Hand gab. »Gewahrsam« bedeutete, wir durften einen nicht aussagewilligen Zeugen oder eine »verdächtige Person« sechs Stunden lang festhalten, zwecks vorläufiger Befragung. Wir durften keine physischen Beweismittel abnehmen, noch - offiziell - aus Schweigen oder der Weigerung zu kooperieren nachteilige Schlüsse ziehen. Traditionell machte man Gebrauch von dieser gesetzlichen Handhabe, um Verdächtige, zu deren Verhaftung die Beweislage nicht ausreichte, zu einem Geständnis zu bewegen. Je nachdem war sie auch nützlich, um Personen, bei denen nach unserer Meinung Fluchtgefahr bestand, daran zu hindern, sich aus dem Staub zu machen.
    Doch in jüngerer Zeit war zu beobachten, dass Geschworene wie auch Anwälte der Maßnahme ablehnend gegenüberstanden, und ein in Gewahrsam Genommener, der nicht gestand, hatte später bessere Chancen vor Gericht, weil es aussah, als wären

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