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Die Stadt und die Stadt

Die Stadt und die Stadt

Titel: Die Stadt und die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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Sortiments Sperrmüll. Der samt und sonders nicht als Tatwerkzeug in Frage kommt, so viel steht fest.« Ich tippte auf das Blatt Papier auf meinem Schreibtisch, dem ich diese Tatsache entnommen hatte.
    »In der Siedlung liegt überall Müll herum«, sagte sie. »Überall liegt Müll herum, in der ganzen Stadt. Wer weiß, wo er das Zeug aufgesammelt hat. Apropos ›er‹ ... Vielleicht ist es nicht nur ein Täter.«
    »Aufgesammelt, in den Lieferwagen geworfen und den ganzen Schamott irgendwo abgestellt.«
    Corwi saß gespannt da. Sie wartete darauf, dass ich mich zu dem von ihr vorgebrachten neuen Aspekt äußerte, aber ich war mit meinen Gedanken woanders.
    Der Schrott hatte, soweit wir sehen konnten, keinem besonderen Zweck gedient oder nur dem, mit der toten Frau durch den dreckigen Laderaum zu walzen, sich an ihr zu reiben und sie mit Rost zu färben, als gehörte sie dazu - wertlos, ausgesondert, Müll.

4. Kapitel
 
    Wie sich herausstellte, führten beide Spuren ins Leere. Die Rechtsanwaltsgehilfin hatte der Kanzlei den Rücken gekehrt und niemanden davon in Kenntnis gesetzt. Wir fanden sie in Batsialic, im Osten Besźels. Sie war erschüttert wegen der Unannehmlichkeiten, die sie unwissentlich verursacht hatte. »Ich kündige niemals schriftlich«, erklärte sie zwischen tausend Entschuldigungen. »Jedenfalls nicht bei solchen Arbeitgebern. Und nie ist was passiert. Nicht so was.« Corwi fand die angeblich verschütt gegangene Rosyn, ohne überhaupt suchen zu müssen. »Die Schnute« tat Dienst wie üblich.
    »Sie hat nicht die geringste Ähnlichkeit mit Fulana.« Corwi zeigte mir ein JPEG, für das Rosyn mit sichtlichem Vergnügen posiert hatte. Der Scherzbold, der uns mit beachtlicher Überzeugungskraft auf diese falsche Fährte gelockt hatte, blieb auf ewig unbekannt, ebenso seine Motive. Höchst unwahrscheinlich, dass jemand diese beiden Frauen verwechselt haben konnte. Der Informationsfluss plätscherte vor sich hin, meine Leute gingen den Hinweisen nach. Auf dem Anrufbeantworter meines Dienstapparats fand ich Nachrichten vor und Anrufe, bei denen wortlos aufgelegt worden war.
    Es regnete. Das Plakat von Fulana am Kiosk vor meinem Haus weichte auf, wurde streifig. Jemand pappte einen Hochglanzflyer für »einen Abend mit Balkan-Techno« über die obere Hälfte ihres Gesichts. Die Ankündigung der Dance-Night wuchs aus ihrem Mund und Kinn. Ich nahm das neue Plakat ab. Ich warf es nicht weg, pinnte es ein Stück versetzt wieder an: Fulana mit geschlossenen Augen wie lauschend neben DJ Radic und Tiger Kru. Harte Beats. Ich entdeckte keine anderen Plakate von ihr, obwohl Corwi mir versicherte, es gäbe sie, da und dort in der Stadt.
    Khurusch hatte naturgemäß überall in dem Lieferwagen seine DNS hinterlassen, doch mit Ausnahme der wenigen Härchen nicht an Fulanas Körper. Es war ohnehin nicht wahrscheinlich, dass all diese geläuterten Spielsüchtigen gelogen hatten. Wir versuchten, ihm zu entlocken, an wen er den Lieferwagen verliehen hatte, seit dieser sich in seinem Besitz befand. Er nannte ein paar Namen, beharrte aber darauf, dass der Wagen von einem Fremden gestohlen worden war. Am Montag nach dem Fund der Leiche erhielt ich einen Telefonanruf.
    »Borlú.« Ich sagte meinen Namen noch einmal, nach einem langen Schweigen am anderen Ende der Leitung, und hörte, wie man ihn dort wiederholte.
    »Inspektor Borlú.«
    »Kann ich Ihnen helfen?«
    »Ich weiß nicht. Vor Tagen hoffte ich, dass Sie mir helfen könnten. Ich habe versucht, Sie zu erreichen. Mir will eher scheinen, dass ich Ihnen helfen kann.« Die Stimme - eines Mannes - sprach mit ausländischem Akzent.
    »Wie? Tut mir leid, sprechen Sie lauter - die Verbindung ist miserabel.«
    Knisternde Statik in der Leitung - der Mann hörte sich an wie die Aufzeichnung einer altmodischen Bandmaschine. Ich konnte nicht sagen, ob die Verzögerung mit der schlechten Verbindung zusammenhing oder ob er sich so lange Zeit damit ließ, auf das zu antworten, was ich sagte. Er sprach ein gutes, aber merkwürdiges Besź, gespickt mit Archaismen. Ich fragte: »Wer sind Sie? Was wollen Sie?«
    »Ich habe Informationen für Sie.«
    »Haben Sie mit unserer Hotline gesprochen?«
    »Geht nicht.« Er rief von auswärts an. Die Nebengeräusche von Besźels veralteten Vermittlungsanlagen waren unverkennbar. »Das ist in gewisser Weise der Punkt.«
    »Wie sind Sie an meine Nummer gekommen?«
    »Borlú, reden Sie keinen Stuss.« Wieder einmal wünschte ich mir Telefone mit

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