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Die Stadt und die Stadt

Die Stadt und die Stadt

Titel: Die Stadt und die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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wir übereifrig gewesen. Gadlem, vom alten Schlag, scherte sich nicht um neumodische Empfindlichkeit, und ich hatte meine Anweisungen.
    Khurusch hatte seine Basis in einem von zahlreichen nur tageweise geöffneten Ladenlokalen in einem wirtschaftlich unterprivilegierten Bezirk. Unsere Aktion war auf die Schnelle organisiert. Beamte des zuständigen Reviers hatten sich unter einem Vorwand vergewissert, dass Khurusch anwesend war.
    Wir holten ihn aus seinem Büro, einem stickig-warmen staubigen Raum über dem Laden, Industriekalender und verblasste Stellen an der Wand zwischen Aktenschränken. Seine Sekretärin gaffte einfältig und räumte ziellos auf ihrem Schreibtisch herum, als wir ihren Chef aus dem Zimmer eskortierten.
    Er sah mich und wusste, was die Uhr geschlagen hatte, noch bevor Corwi und die anderen Uniformierten in der Tür auftauchten. Die Erfahrungen seiner bewegten Vergangenheit sagten ihm vermutlich, dass er nicht verhaftet war, dass er sich weigern konnte, mitzukommen - dann hätte ich Gadlems Anweisung befolgen und ihn in Gewahrsam nehmen müssen. Einen Augenblick lang sah es so aus, als wollte er es darauf ankommen lassen und fliehen - nur wohin? -, dann stieg er mit uns die wacklige Eisentreppe an der Außenmauer hinunter, dem einzigen Eingang. Ich sprach leise in mein Funkgerät und gab Anweisung, dass die bewaffneten Beamten, die wir mitgebracht hatten, sich im Hintergrund halten sollten. Er bekam sie gar nicht zu Gesicht.
    Khurusch war von muskulöser Statur, wenn auch mit den Jahren etwas schwammig geworden; sein kariertes Hemd wirkte ebenso verblasst und staubig wie die Wände seines Büros. Er musterte mich über den Tisch in unserem Befragungsraum hinweg. Yaszek saß auf dem einzigen anderen Stuhl; Corwi hatte Anweisung, sich nicht einzumischen, nur zu beobachten. Ich ging auf und ab. Der Rekorder war aus. Dies war ein Gespräch, kein Verhör, theoretisch.
    »Weißt du, weshalb du hier bist, Mikyael?«
    »Keine Ahnung.«
    »Weißt du, wo dein Lieferwagen ist?«
    Er hob ruckartig den Kopf, sah mich scharf an. Seine Stimme klang plötzlich anders - hoffnungsvoll.
    »Darum geht es?«, fragte er. »Um den Lieferwagen?« Er stieß ein Ha! aus und lehnte sich zurück. Immer noch wachsam, aber entspannter. »Habt ihr ihn gefunden? Ist das ...«
    »Ihn gefunden?«
    »Er wurde gestohlen. Vor drei Tagen. Habt ihr? Ihn gefunden? Steht er hier bei euch? Kann ich ihn wiederhaben? Was ist passiert?«
    Ich schaute Yaszek an. Sie stand auf, flüsterte mir etwas ins Ohr, setzte sich wieder hin und fixierte Khurusch.
    »Ja, genau darum geht es, Mikyael«, sagte ich. »Um deinen Lieferwagen. Was hast du geglaubt? Nein, langsam, schön sitzen bleiben und halt den Mund, ich will nichts hören. Hier kommt nämlich der springende Punkt, Mikyael. Ein Mann wie du, jemand der Waren transportiert und ausliefert, braucht einen Lieferwagen. Da wundert es uns schon, dass du deinen nicht als gestohlen gemeldet hast.« Ich schaute kurz zu Yaszek. Sicher nicht? Sie nickte. »Du hast ihn nicht als gestohlen gemeldet. Nun will ich glauben, dass der Verlust dieser traurigen Rostlaube dir keinen unüberwindbaren Kummer bereitet hat, nicht auf der Ebene menschlicher Gefühle. Trotzdem wüsste ich gern, wenn er denn gestohlen wurde, was dich davon abgehalten hat, den Diebstahl zur Anzeige zu bringen und vor allen Dingen deine Versicherung davon in Kenntnis zu setzen. Wie funktioniert das mit deinem Job, ohne fahrbaren Untersatz?«
    Khurusch zuckte die Achseln.
    »Ich bin nicht dazu gekommen, zur Polizei zu gehen. Ich hatte es vor. Ich war beschäftigt.«
    »Wir wissen genau, wie viel du zu tun hast, Mikyael, und dennoch wiederhole ich meine Frage: Warum hast du den Diebstahl deines Transportfahrzeugs nicht angezeigt?«
    »Ich bin nicht dazu gekommen. Ehrlich. Einen anderen Grund gibt ...«
    »Drei Tage lang hast du keinen Moment Zeit gefunden, um bei deinen Freunden und Helfern vorzusprechen?«
    »Habt ihr ihn? Was ist los damit? Man hat ihn für etwas gebraucht, stimmt's? Für irgendein krummes Ding?«
    »Kennst du diese Frau? Wo warst du Dienstagabend, Mik?« Er starrte auf das Foto.
    »Um Himmels willen.« Er wechselte wahrhaftig die Farbe. »Ein Mord. Um Himmels willen. Wurde sie überfahren? Mit meinem Lieferwagen? Um Himmels willen.« Er zog einen zerkratzten PDA aus der Tasche, dann blickte er auf, ohne ihn einzuschalten. »Dienstag? Da war ich bei einem Treffen. Dienstagabend? Halleluja, ich war bei einem Treffen.« Ihm

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