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Die Stadt unter dem Eis

Die Stadt unter dem Eis

Titel: Die Stadt unter dem Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Anweisungen, dann wandte er sich wieder an
Trautman. »Ich habe Ewata aufgetragen, das Gästezimmer
herzurichten. Aber nun, bis es so weit ist, Herr Trautstein,
verraten Sie mir, was Sie in diese ungastliche Gegend treibt –
wenn Sie mir meine Neugier verzeihen.«
»Dasselbe wie Sie«, antwortete Trautman. »Geschäfte.«
»Wollen Sie eine Eisfabrik eröffnen?«, grinste Vom Dorff.
Trautman blieb ernst. Sekundenlang blickte er Vom Dorff
durchdringend an, dann zuckte er mit den Achseln, als wäre er
innerlich zu einem Entschluss gelangt, und sagte:
»Warum
eigentlich nicht. Ich denke, Sie sind ein Ehrenmann, sodass ich
Ihnen vertrauen kann.«
Er griff in die Tasche, zog einen Beutel heraus, von dem Mike
wusste, dass er mehr als hundert der gleichen Perlen enthielt,
mit denen er vorhin im Lokal bezahlt hatte, und reichte ihn Vom
Dorff. Der deutsche Handelsattaché riss erstaunt die Augen auf,
nachdem er einen Blick in den Beutel geworfen hatte.
»Sie verstehen, dass ich gezögert habe?«, fragte Trautman.
»Und ob«, antwortete Vom Dorff. »Das ist ... ein Vermögen.
Aber verzeihen Sie mir die Frage, Kapitän – was bringt Sie auf
die abenteuerliche Idee, diese Perlen an einem Ort wie diesem
verkaufen zu können?«
»Der Krieg«, antwortete Trautman.
»Der Krieg?«
Trautman hob die Schultern. »Es sind unsichere Zeiten, Herr
Vom Dorff. Ich verfüge leider nicht über ein gutes Schiff.
Jedenfalls über keines, das gut genug wäre, um sich damit in
gefährliche Gewässer zu wagen. Und im Augenblick sind alle Gewässer rund um Europa gefährlich.«
»Das kommt ganz darauf an, auf welcher Seite man steht«,
sagte Vom Dorff lauernd.
»Ich stehe auf keiner Seite«, antwortete Trautman. »Der Krieg
ist uns egal.«
»Sie meinen, es wäre Ihnen gleich, wenn die Tommys und die
Franzmänner gewinnen?«
»Nein«, sagte Trautman. »Aber ich bin der Meinung, dass wir
nichts an seinem Ausgang ändern können. Das normale Leben
muss weitergehen, auch wenn Krieg herrscht.«
Vom Dorff schwieg einige Sekunden, in denen er Trautman
mit unverhohlenem Misstrauen musterte. Mike verstand auch
nicht wirklich, warum Trautman ihm diese komplizierte
Geschichte auftischte. Es war nicht das erste Mal, dass sie
gezwungen waren zu lügen, aber gerade Trautman hatte ihm
immer wieder eingetrichtert, dass eine Lüge umso glaubhafter
wurde, je näher sie an der Wahrheit blieb. Und das, was
Trautman gerade erzählt hatte, hatte nun wirklich nichts mit der
Wahrheit zu tun.
»Ich habe noch mehr von diesen Perlen«, fuhr Trautman fort.
»Mir liegt ein Angebot von einem dänischen Kaufmann vor, sie
zu erwerben. Er schlug Sadsbergen als Treffpunkt vor. Fragen
Sie mich nicht, warum.«
»Ich verstehe«, sagte Vom Dorff. »Und Sie haben auch nicht
gefragt, warum. Stattdessen ziehen Sie es vor, gewisse Steuern
und Abgaben zu umgehen. Und den Zoll.«
»Ich ziehe es vor, lebendig wieder nach Hause zu kommen,
statt einem englischen Unterseeboot vor die Torpedorohre zu
laufen«, antwortete Trautman. »Diese Irren schießen doch auf
alles, was sich bewegt!« Plötzlich grinste er. »Außerdem werde
ich selbstverständlich die hier üblichen ... Abgaben bezahlen.
Was meinen Sie – wären drei dieser Perlen angemessen?«
»Wollen Sie mich bestechen?«, fragte Vom Dorff.
»Ja«, antwortete Trautman. Mikes Herz setzte für einen
Schlag aus. Vom Dorff starrte Trautman einige Sekunden lang
an, dann schüttelte er wortlos sechs der schweren weißen Perlen
aus dem Beutel heraus und ließ sie in seiner Jackentasche
verschwinden.
»Seien Sie meine Gäste, bis Ihr ... Geschäftsfreund eintrifft«,
sagte er. »Wann wird er kommen?«
»In zwei oder drei Tagen«, antwortete Trautman.
»Hierher?« Vom Dorff legte den Kopf auf die Seite. »Ich bin
zufällig Zeuge Ihres Gesprächs mit dem Gastwirt geworden.«
»Oh, das Gespann.« Trautman deutete auf Mike. »Wie gesagt,
haben wir noch etwas Zeit. Ich habe Mike versprochen, mit ihm
eine Fahrt mit dem Hundeschlitten zu machen. Sie wissen doch,
wie Jungen in diesem Alter sind.«
»Das große Abenteuer, ich verstehe. Aber Sie sollten
vorsichtig sein. Dieses Land ist gefährlich. Ich habe schon von
Fällen gehört, in denen Menschen zehn Kilometer von einer
großen Stadt entfernt verhungert oder erfroren sind. In diesem
einen Punkt stimme ich dem Mann zu: Sie sollten nicht allein
dort hinausgehen. Wenn Sie wollen, besorge ich Ihnen einen
wirklich zuverlässigen Führer. Möchten Sie zu einem
bestimmten

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