Die Stadt unter dem Eis
Ort?«
Trautman schüttelte den Kopf.
»Dann stelle ich eine Route für Sie zusammen«, sagte Vom
Dorff. »Auch wenn man es nicht glaubt, aber es gibt sogar hier
ein paar Flecken, die durchaus sehenswert sind.«
»Das ist sehr freundlich von Ihnen«, sagte Trautman. »Aber
reden wir morgen eingehender darüber. Mike und ich sind
ziemlich müde. Die Reise hierher war recht anstrengend.«
»Vor allem zu Fuß«, fügte Vom Dorff hinzu.
Trautman ignorierte die Bemerkung ebenso, wie er Vom
Dorffs bisherige Fragen über sein Schiff ignoriert hatte.
Stattdessen hob er die Hand vor den Mund und gähnte
demonstrativ.
»Ja, Sie haben Recht«, sagte Vom Dorff. »Es ist spät
geworden. Wir können ja morgen beim Frühstück
weiterplaudern.« Er stand auf. Trautman und Mike erhoben sich
ebenfalls und folgten ihm ins obere Stockwerk, wo sich das
kleine, aber gemütlich eingerichtete Gästezimmer befand. Vom
Dorff verabschiedete sich wortreich von ihnen und ging.
Kaum waren sie allein, wandte sich Mike aufgeregt an
Trautman. »Was um alles in der Welt –«
Trautman machte eine erschrockene Geste, still zu sein, und
Mike stockte einen Moment und fuhr nach einem nervösen
Blick zur Tür leiser fort:»– haben Sie sich dabei gedacht?
Warum erzählen Sie einen solchen Unsinn? Wir sind doch keine
Schmuggler!«
»Und er ist kein Handelsattaché«, sagte Trautman.
»Soll er mich ruhig für einen Kriegsgewinnler halten. Auf
diese Weise schöpft er wenigstens keinen Verdacht.«
»Verdacht?«
»Irgendetwas stimmt hier nicht«, sagte Trautman. »Nicht mit
diesem angeblichen Handelsattaché und nicht mit dieser ganzen
Stadt.«
»Das Funkgerät.«
»Unter anderem«, sagte Trautman. Dann deutete er auf das
Bett. »Versuch ein paar Stunden zu schlafen. Wir müssen
vielleicht früh raus.« Ohne Mikes Reaktion abzuwarten, ging er
zu dem Stuhl, auf dem Vom Dorffs Bediensteter ihre Jacken
abgelegt hatte, und begutachtete sie flüchtig. Sein Gesicht
verdüsterte sich.
»Ja, das habe ich mir gedacht«, grollte er. »Sie haben unsere
Taschen durchwühlt.«
»Wundert Sie das?«, fragte Mike. »Es war ja schon fast
peinlich, wie sehr Sie mit den Perlen angegeben haben.«
»Stimmt«, sagte Trautman. »Aber hinter den Perlen ist er
bestimmt nicht her. Sonst hätte er die nicht genommen, mit
denen ich ihn bestochen habe. Warum sollte er sich mit einem
halben Dutzend zufrieden geben, wenn er alle haben könnte?«
»Ich verstehe das sowieso nicht«, antwortete Mike. »Ich
meine: Ich weiß nicht viel über das deutsche Kaiserreich, aber
ich dachte immer, deutsche Beamte wären unbestechlich.«
»Niemand ist wirklich unbestechlich«, sagte Trautman
überzeugt. »Aber du hast Recht: Vom Dorff hat die Perlen nicht
aus Habgier genommen, sondern nur, um seine Rolle perfekt zu
spielen. Ich frage mich bloß, welche es eigentlich ist ... Aber das
werde ich herausfinden.«
Mike setzte sich auf die Bettkante. »Wo wir schon einmal
dabei sind«, sagte er. »Warum sind wir eigentlich hier?«
»Wie meinst du das?«
»Sie wissen, wovon ich spreche«, antwortete Mike. »Ich
wollte nichts sagen, solange die anderen dabei waren, aber
irgendetwas war an diesem Funkspruch, worüber Sie bisher
nicht gesprochen haben, habe ich Recht?«
Trautmans Miene verfinsterte sich. »Woher willst du wissen
...«, begann er.
»Wenn man sich so lange kennt wie wir, merkt man, wenn
den anderen etwas bedrückt«, sagte Mike schnell. »Irgendetwas
hat Sie erschreckt. Warum verraten Sie mir nicht, was es ist?«
Trautman schwieg. Aber dann schüttelte er den Kopf.
»Diesmal irrst du dich gewaltig«, behauptete er. »Wir gehen nur
einem Hilferuf nach, das ist alles.«
»Sie haben doch gerade selbst gesagt, dass hier etwas nicht
stimmt!«
»Und dabei bleibe ich auch«, sagte Trautman. »Irgendwo,
nicht einmal sehr weit entfernt von hier, morst jemand seit
Tagen verzweifelt um Hilfe. Vielleicht sogar schon länger. Und
hier in dieser Stadt scheint niemand auch nur etwas davon zu
wissen – obwohl direkt über uns eine riesige Antenne steht. Ich
denke schon, dass man da auf die Idee kommen kann, dass
etwas nicht stimmt.«
Er wollte nicht über das Thema reden, begriff Mike.
Vermutlich hatte er seine Gründe dafür. Mike war enttäuscht,
versuchte aber nicht weiter in Trautman zu dringen. Wenn er
glaubte, dass der Moment dafür gekommen war, würde er schon
von sich aus über das Thema sprechen.
Außerdem war er wirklich müde. Es war ein langer und
anstrengender Tag gewesen und die Wärme und
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