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Die Statisten - Roman

Die Statisten - Roman

Titel: Die Statisten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A1 Verlag GmbH
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war, und bat sie mit altmodischer Courtoisie um das Vergnügen dieses Tanzes. Auntie lehnte immer dankend ab. Er nahm den Korb nicht weiter übel, er schien sich dessen kaum bewusst zu sein, doch dann geschah etwas, etwas Überraschendes.
    Dieses Ein-Mann-Chaos, dieses anhaltende niederenergetische Erdbeben, diese funktionsgestörte Vogelscheuche mit siebenhundert Armen, die allesamt nach ihrem jeweiligen Trommelschlag marschierten, fiel in sich zusammen und kam zur Ruhe. Langsam verflüssigte sich sein Körper. Seine langfingrigen Hände begannen, geschmeidig in ihren Gelenken zu kreiseln, und seine Arme hoben sich, breiteten sich aus, schwebten und wallten, Welle für Welle. Es schien unmöglich zu sein, aber Ardeshir war aus dem engen Käfig von Aunties Schankraum ausgebrochen und in Mohnfelder hinausgeglitten, die sich bis zum Horizont ausdehnten.
    â€žArdeshir, warum hören Sie nicht auf mich?“ Alle sechs Monate setzte sich Mrs Fernandes nach Mitternacht, wenn alle anderen Gäste heimgegangen waren, mit dem Buchprüfer zu einem vertraulichen Gespräch an einen Tisch. „Das Junggesellenleben ruiniert Ihre Gesundheit und Ihre Nerven. Legen Sie sich eine nette Frau zu und heiraten Sie, dann können Sie die ganze Nacht lang mit jemandem tanzen, den Sie lieben und dem Sie am Herzen liegen. Ihr Gezappel wird aufhören, Sie werden ein geregeltes Leben führen, vierzehn Kinder zeugen und das Parsengeschlecht vor dem Aussterben retten.“
    Ardeshir lachte prustend, bis ihm die vorstehenden Zähne fast aus dem Mund fielen. „Wer würde schon diesen spastischen Hampelmann heiraten, Mrs Fernandes? Würden Sie?“
    â€žIch würde, aber ich fürchte, das indische Strafgesetzbuch würde das als Bigamie auslegen und uns beide ins Kittchen stecken. Und zur Frage, wer Sie heiraten würde – was ist mit all den Mädchen, mit denen Sie am Wochenende und sogar in ihren Ferien picknicken gehen?“
    â€žWir sind Zoroastrier , Mrs Fernandes. Sicher fühlen wir uns nur in der Herde, besonders vor der Heirat. Meine Rolle in der Herde ist die des Vertrauten. Fast alle meine Freundinnen weinen sich an meiner Schulter aus und erzählen mir ihre Nöte und Geheimnisse. Anfangs ist das ein wunderschönes Gefühl. Aber bald begreift man, dass die Mädchen einen nicht als Vertrauten auswählen, weil sie einem vertrauen und eine gewisse Intimität spüren, die irgendwann zu etwas Tieferem erblühen könnte, sondern weil sie einen als geschlechtslos und harmlos empfinden. Zumindest nehmen sie das an.“

    Etwas konnte nicht stimmen, ganz gewaltig nicht stimmen, dass Ardeshir Bharucha heute bei Auntie aufkreuzte, und das auch noch am Nachmittag. Bis zum ersten August waren es noch gut dreizehn Tage hin. Er war völlig außer Atem, schnappte nach Luft, nachdem er im Ahmed Chawl die sechs Treppen zu Aunties Laden hinaufgelaufen war.
    â€žWas ist los, Ardeshir? Stimmt was nicht?“ Mrs Fernandes zog ihm einen Stuhl heran, und Eddie nahm ihm den Regenmantel ab und hängte ihn draußen im Gang auf. Die zwei Marxisten vergaßen sogar, sich mit Gift und Galle zu übergießen und schauten schwer besorgt.
    â€žIch … ich hab …“ Der Buchprüfer versuchte zu sprechen, während er seine beschlagenen Brillengläser trocken rieb.
    â€žBeruhigen Sie sich. Wir können später reden.“
    Aber Ardeshir konnte nicht warten, bis er wieder zu Atem gekommen war. „… hab … hab eine Frau gefunden“, stieß er hervor.
    â€žSie haben eine Frau gefunden?“, fragte Krishnamurthy ungläubig.
    â€žGlückwunsch!“ Mrs Fernandes klopfte Ardeshir auf den Rücken. „Endlich, nach all den Jahren, haben Sie auf mich gehört. Die wunderbare Nachricht gehört gefeiert!“
    â€žWo ist sie?“, wollte Chatterjee wissen, während Mrs Fernandes eine Flasche Whisky hervorholte. „Wie heißt sie?“
    â€žSophia, nach Sophia Loren. Sie ist unten.“
    â€žWarum haben Sie sie nicht gleich mitgebracht?“, fragte Mrs Fernandes. „Ich hol sie rauf.“
    â€žHausregel bei Auntie. Kein Zutritt für Frauen.“
    â€žOh.“ Das gab Auntie erst mal zu denken. „Wir werden diesmal eine Ausnahme machen. Nur dieses eine Mal.“
    â€žDas ist leider nicht möglich.“ Der Buchprüfer hatte ein idiotisches Grinsen im Gesicht, das bis tief in seine

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