Die Statisten - Roman
Pseudo-WeiÃen wie ich und meine Eltern. Und worüber könnten sie dann noch jammern, Eddie? Sie könnten sich nicht mehr darüber auslassen, wie sehr Indien vor die Hunde gegangen ist, seit die Briten abgezogen sind. Wie pünktlich die Züge fuhren, solange die Gora-sahabs hier waren. Wie sauber die StraÃen, wie korrekt und diszipliniert alle Leute waren, während die Eingeborenen nur Korruption kennen â vom groÃen Boss bis zum kleinen Handlanger. Hast du die geringste Vorstellung, wie tragisch es für sie wäre, den einen Traum zu verlieren, der sie all die Jahre lang am Leben erhalten hat? Dass sie irgendwann dieses Drecksland verlassen und in ihre einzige wahre Heimat ziehen würden? Das eine Wunschbild, das sie im Kopf mit sich herumtragen, das sie überhaupt am Leben erhält, ist, in Southampton oder wo auch immer das Schiff zu verlassen und sich hinzuknien und britischen Erdboden zu küssen.â
Was war mit Belle passiert? Welcher Dämon hatte von ihr Besitz ergriffen? Sonst war sie immer vergnügt und voll frecher Sprüche. Wer war diese fürchterliche Zynikerin, als die sie sich jetzt ausgab? Er hatte sie stets um ihre Beziehung zu ihren Eltern beneidet, um ihr unkompliziertes, kameradschaftliches Verhältnis. Und jetzt brachte sie nur die gehässigsten Dinge über sie heraus. Er hätte sie am liebsten geohrfeigt und ihr gesagt: Hör auf, verdammt, hör auf, dieses widerliche Gift abzusondern!
âDu lügst! Deine Eltern sind nicht so! England ist ihre Heimat, wie könnten sie es nicht lieben?â
âDas hier ist deine Heimatâ, erwiderte Belle ruhig. âDie liebst du doch sicherlich. Warum solltest du sie also verlassen wollen?â
âIch hasse dich, ich hasse dich!â
Er hatte das Gefühl zu ersticken. Er musste weg, sofort weg.
âDu hasst mich nicht, Eddie.â Als er sich schon zur Türklinke wandte, tätschelte Belle ihm die Backe. âDu bist bloà frustriert und traurig, weil es zur Abwechslung mal nicht so läuft, wie du es gern hättest.â
âDu sagst all diese Sachen nur, weil du genauso wie meine Mutter und Pieta bist! Du willst nicht, dass ich diesen grauenhaften Chawls entkomme und etwas aus mir mache!â
âDas ist nicht wahr, Eddie, und das weiÃt du. Ich würde alles tun, um dich glücklich zu machen.â
âAlles?â
âJa. Fast allesâ, korrigierte sie sich.
Diesmal würde er nicht denselben Fehler begehen, den er bei seiner Schwester gemacht hatte. Um das Geld für das Ticket würde er sie erst bitten, wenn die Zeit reif wäre.
âKommst du mit nach England, wenn ich dich heirate?â
âDas meinst du nicht im Ernst.â
âNee, aber ich hab schon alle Mädchen gefragt, die mir auf der StraÃe über den Weg gelaufen sind. Und da dachte ich: Warum nicht auch dich?â
Belle schaute einen Augenblick lang verdutzt, und dann gab sie ihm einen Schmatz auf den Mund.
âJa oder nein?â, fragte er aus den Mundwinkeln.
âJa, bevor du deine Meinung änderst und das Angebot zurückziehst!â
âWarum sollte ich das tun?â
âWeil bislang ich es war, die gefragt hat, und du immer abgelehnt hast.â
âDas könnte ich immer noch machen, wenn dir der Vorschlag nicht zusagt.â
âHalt einfach den Mund und lass mich den Augenblick genieÃen. Ich hätte nie gedacht, dass du deine Meinung noch änderst. Ich liebe dich, Eddie. Weià Gott, manchmal habe ich dich sogar mehr geliebt als Jesus!â
Eddie wand sich innerlich. Warum musste Belle alles verderben, indem sie Jesus ins Spiel brachte und ihm so ein schlechtes Gewissen machte? Sie umarmte ihn noch einmal und rieb ihre Nase an seiner. âWahnsinn, in der einen Minute willst du noch nach England, und in der nächsten machst du mir einen Antrag!â
Ihre Augen wurden nachdenklich. Sie schien zu begreifen, was sie gerade gesagt hatte. Ihr Gesicht umwölkte sich, und sie schob ihn sanft von sich. âIch frage mich, wer argloser ist, du oder ich? Du willst mich nur deswegen heiraten, weil du unbedingt nach England willst.â
âDas ist nicht wahr!â, sagte Eddie schroff. âGanz und gar nicht wahr! Ich will, dass wir beide nach Amerika fahren und dort die Chancen bekommen, die wir in diesem Land niemals haben werden. Kein Mensch erkennt hier, was für eine Wahnsinnssängerin du
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