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Die Steampunk-Chroniken - Aethergarn

Die Steampunk-Chroniken - Aethergarn

Titel: Die Steampunk-Chroniken - Aethergarn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holzhauer (Herausgeber)
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Monsieur Vock.« Nachdenklich wiegte Anabelle den Kopf. »Warten wir bis heute Nacht. Sicher wird Mrs. Havelock weitergeben, dass ich hier bleibe. Ich rechne in jedem Fall mit Besuch.«
    »Kommen Sie allein klar?«, fragte Hailey. Sorge klang in seinen Worten mit.
    Mit einem Grinsen nickte Anabelle. »Sie wissen doch: ich bin eine Maschine.«
     
    * * *
     
    Noch immer ragte der Sporn über ihr auf. Seit mehreren Stunden war sie – bis auf wenige Bobbies, die darauf achteten, dass kein Unbefugter das Gelände betrat – allein.
    Im Licht von Karbidlampen und Fackeln las sie sich die Unterlagen durch. Einige bemerkenswerte Punkte fielen ihr auf. Es gab geringe Unterschiede im Strich von den technischen Rissen, den Details für den Drechsler und den Darstellungen der Motoren, zu der Ausstattung der Kabinen. Für Anabelle stand fest, dass an diesen Plänen unterschiedliche Personen gearbeitet haben mussten. Stammte die Grundidee von Vock – oder einer anderen Person? Vielleicht einem unbedeutenden Ingenieur, der die Arbeit an dem Projekt aufgab?
    Jemand räusperte sich hinter ihr. Ohne sich umzudrehen oder den Blick von den Plänen zu nehmen fragte sie: »Monsieur Erhardt, wie ich annehme?«
    »Ja«, entgegnete der alte Mann knapp. Anabelle drehte sich zu ihm um. Außerhalb des Lichtkreises erhob sich ein fast konturloser Schatten. Lediglich der Lauf eines Gewehres hob sich schwach ab.
    »Warum sind Sie zurück gekehrt?«, fragte sie ruhig.
    »Ich kann Ihnen meinen Schatz nicht ausliefern«, entgegnete er. Seine Tonlage klang androgyn und weich, aber auch alt. »Sie wissen diese Pläne nicht zu würdigen, Mademoiselle Talleyrand.« Ein gefährlicher Unterton schlich sich in seine Stimme. Die Schärfe darin umriss ein Quäntchen Wahnsinn.
    »Was glaubten Sie, mit diesen Dokumenten zu erreichen, Monsieur?«, fragte Anabelle leise. »Sie wissen, dass diese Unterlagen ein Luftschloss beschreiben …«
    »Woher kommt nur diese französische Überheblichkeit?«, fragte er.
    »Ich habe Wissen, keine Überheblichkeit«, entgegnete Anabelle verärgert.
    »Wissen?!«, zischte er. »Dieses Schiff ist ein Meisterwerk. Die vorangegangenen Luftschiffe sind nichts im Vergleich hierzu!«
    »Die bisherigen Bautypen sind in der Lage zu fliegen, sie bringen Ihnen und Vock Ruhm und Geld ein …«
    »Schweigen Sie!«, donnerte er.
    Anabelle wusste, dass sie mit einem Verrückten sprach. Trotz allem konnte sie nicht schweigen. »Warum? Weshalb haben Sie ein Projekt verfolgt, dass zum Scheitern verurteilt war?«
    Erhardt schoss. Die Kugel fetzte Erdreich und Stein aus dem Boden vor Anabelles Füßen. Erschrocken wich sie zurück, bis sie gegen ihren Tisch stieß. Auf Einschüsse in ihrer Kautschukhaut konnte sie gut verzichten. »Monsieur …«, begann sie, wurde aber von seinem unartikulierten Aufschrei unterbrochen. Die Wachen wurden sicher gleich auf ihn aufmerksam!
    »Schweigen Sie!«, brüllte er. »Die Pläne meines Sohnes waren perfekt!«
    Irritiert blinzelte Anabelle. Sohn? Wie hatte sie die menschliche Seite aus ihrer Kalkulation heraus lassen können?! Es ging Erhardt scheinbar nicht um Geld von Investoren.
    »Die Differenzen in den Plänen«, murmelte sie. »Monsieur, Sie haben die Arbeit ihres Sohnes fortgeführt?«
    Die Milde in ihrer Stimme beruhigte Erhardt etwas. »Ja«, flüsterte er. »Seine Idee war so brillant! Aber Vock wollte das Design bestimmen. Es sollte prachtvoller sein als alle Schiffe, die je gebaut wurden.« Er verstummte. Sein heiseres Schluchzen brach durch die Stille zwischen ihnen. »Mein Sohn … Millys Sohn …« Wieder versagte seine Stimme. »Vock hat sein Konzept ad absurdum geführt. Dieses Schiff ist flugunfähig.«
    Anabelle nickte. »Vock wollte Subventionen und schnellen Profit. Vermutlich ist er mit dem Geld geflohen.«
    Stein knirschte unter Erhardts Schuhen. Er trat in den Lichtkreis. Sein eingefallenes, fahles Gesicht sprach von Entbehrung und Leid. Wirr hingen seine grauen Haare in die Stirn. Offenbar trug er seit Tagen den gleichen Anzug und fand keine Zeit sich zu rasieren. Anabelles Seele zog sich zusammen. Sie empfand Mitleid.
    »Mein Sohn wurde – Dank Vocks Habgier – während eines Unfalls im Werk zu einem Krüppel. Wochen danach starb er an den Folgen. Ein Leben für ein Leben!«
    »Die zerfetzte Leiche war Vock«, vermutete Anabelle.
    »Ja«, bestätigte Erhardt. Der Ingenieur sank ein Stück weit in sich zusammen. Das Mitleid in Anabelle wuchs. Sie wusste, dass es für den alten

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