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Die Steampunk-Chroniken - Aethergarn

Die Steampunk-Chroniken - Aethergarn

Titel: Die Steampunk-Chroniken - Aethergarn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holzhauer (Herausgeber)
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ein fähiger Mechaniker, wenn er nicht betrunken war – einen Becher Mezcal aus seinen zittrigen Händen auf den Tisch. »Mateo, du wühlst den ganzen Tag im Dreck. Zieh da nicht den Jungen mit rein; lass ihm seine sauberen Hände.«
    »Er ist eben von der zarten Art, deshalb spielt er auch den ganzen Tag mit Zahnrädern!«, schickte Liron hinterher, der es im Mezcal-Pegel scheinbar mit Arlo aufnehmen wollte.
     
    Emilio war das Gespräch sichtlich unangenehm - tatsächlich las er soeben einen Abschnitt über feinmechanische Zahnradgetriebe. Verlegen klappte er das Buch zusammen, und schlich zum Tisch. Arlo begleitete den Trab mit einem fletschenden Grinsen und fegte Aschereste von dem klebrigen Eck des Tisches, an dem Emilio Platz nahm. »Sei bloß froh«, sagte er zu dem Jungen indem er ihm einschenkte, »dass du nicht bei den Hoheiten gelandet bist. Dort geht es nicht so fröhlich zu. Ist leider so bei Menschen, die nur mit dem Kopf arbeiten.«
    Vorsichtig nippte Emilio an seinem Glas, nicht ohne einen Seitenblick auf seinen Vormund zu werfen. Der aber sah in seinen Obhutspflichten scheinbar kein Alkoholverbot für einen Minderjährigen und war mit den Gedanken sowieso nicht am Tisch. Nachdenklich ließ Mateo die Unterlippe am Glasrand kleben, nahm dann einen beherzten Schluck und sagte:
    »Macht es euch Sorgen, dass wir keine Meldung von oben bekommen? Seit Tagen sind wir auf demselben Kurs. Ist fast so, als wollten sie warten, bis die Spanier unseren Weg kreuzen. Warum gehen sie nicht in die Offensive?«
    Arlo blickte auf, sichtlich verärgert, dass das Gespräch einen ernsten Weg einschlug: »Erstmal über den Ozean kommen. Dann können wir ihnen immer noch Dampf machen.«
    »Aber das wissen die Spanier auch.« Unruhig balancierte Mateo sein Glas zwischen den Händen. »Und sie werden uns abfangen, bevor wir über dem Kontinent sind.«
    »Vielleicht haben sie von unserem Abflug noch gar nicht Wind bekommen. Wir haben die Spanier verjagt, also haben wir auch ihren Geheimdienst verjagt. Vielleicht sind sie völlig ahnungs-los.«
    Da lachte selbst Liron hustend in sein Glas. Verschreckt schaute Emilio zwischen den Alten hin und her. Sowieso fühlte er sich unwohl in der Runde. Jetzt, da das Gespräch einen Verlauf nahm, der ihm immer mehr die eigene Ohnmacht gegenüber der Zukunft vor Augen führte, wäre er am liebsten aus dem Raum gestürmt. Sicher wusste er um die Ereignisse der letzten Zeit, und wie es um ihre Nation und ihre Mission bestellt war. Aber kam es zu Geheimdiensten, Taktik – da war er der fünfzehnjährige Junge, der in seinem Dorf alles glaubte, was ihm das Radio erzählte.
    Er kannte nur das Hohelied auf Agustin de Iturbide, der dem Freiheitskampf die Wende gebracht hatte und nun oberste Hoheit auf der Acalli war. Iturbide war zunächst Befehlshaber der neuspanischen Armee gewesen und damit Herr über den technischen Fortschritt der Eroberer. Die mexikanischen Kämpfer hatten ihm nichts entgegenzusetzen, mit Schwertern und Pistolen standen sie der geballten Macht der Dampfmaschine gegenüber. Luftschiffe und gepanzerte Schienenwagen mähten eine blutige Schneise in die Reihen der Mexikaner. Aber dann, so lobpreiste das Hohelied der Radiosender, gewann der mexikanische Geist: Iturbide wechselte die Reihen. Und mit ihm kam auch der technische Fortschritt zu den Unabhängigkeitskämpfern.
    Nur kurz nachdem die Spanier den Rückzug angetreten hatten und die Republik offiziell ausgerufen war, wurde mit den Arbeiten an der Acalli begonnen. Die Pläne für das Luftschiff hatte Iturbide mit einem Stapel weiterer Papiere entwendet, als er zu den Revolutionstruppen überlief. Und nun segelten sie den Spaniern entgegen, um ein für alle Mal klare Fronten zu schaffen, und die Bedrohung über dem Ozean zu beseitigen.
    Im Geiste blendete Emilio das Gespräch der alten Männer aus und schaute zur Decke. Wenn er sich ganz stark konzentrierte, vermeinte er die Fußtritte der Hoheiten zu hören. Wie sie unruhig in ihren Zimmern hin und her tigerten, und sich auch keinen Rat wussten, als weiter über den Himmel zu segeln bis die Spanier kamen. Irgendwo dort war auch Iturbide und verfluchte wohl seinen Wagemut. Er mochte der Held einer Nation sein, aber hier, als Kommandant der Angriffsarmee, war er dem Verlauf der Ereignisse so ausgeliefert wie jeder an Bord. Ohne seine Mannschaft war er verloren. So hatten die Drachenbändiger am Ende vielleicht mehr Kontrolle als die oberste Hoheit selbst. Wenigstens konnten

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