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Die Steampunk-Chroniken - Aethergarn

Die Steampunk-Chroniken - Aethergarn

Titel: Die Steampunk-Chroniken - Aethergarn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holzhauer (Herausgeber)
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die metallene Verkleidung der Maschine war verziert mit Ideogrammen aus der alten Zeit, einer Darstellung von Mictlan , der Unterwelt, und von Mictlantecuhtli , dem Herrscher über die Toten. Dies war die Art der Konstrukteure, die Hierarchien an Bord zu versinnbildlichen – hier unten herrschten der Tod und das Feuer. Oben an Deck, an der Spitze des Schiffes, thronte Ehecatl , der Herr des Windes, und lenkte sie in der Kälte der Stratosphäre.
    Mateo fühlte sich geborgen am Rande des Todes. Wenn die Spanier kamen, dachte er sich jedes Mal wenn er auf die Ideogramme auf dem Drachen blickte, dann war es an ihm – als Hüter von Mictlan – zu bestimmen, wer in die Unterwelt kam, und wer verdammt wurde als leere Hülle weiter durch die Lüfte zu driften.
Hier am Herzen der Maschine hatte Mateo außerdem eine wahrhaft physische Erfahrung der Vorgänge an Bord. Was auch auf den oberen Decks geschah, transportierte sich durch die zylindrische Gestalt des Schiffes direkt zu ihm und artikulierte sich in den unterschiedlichen Vibrationen, die fast eine eigene Sprache – seine Sprache – bildeten. Einmal hatte Emilio ihn gefragt, ob sie hier unten merken würden, wenn die Spanier kämen. Er meinte damit, ob der Tod schnell käme, aber Mateo glaubte nicht, dass die Chancen so schlecht verteilt waren und überging den Unterton. So hatte er nur die Hand an den nächstgelegenen Stahlpfeiler gelegt und gesagt: »Wenn sie so schnurrt wie jetzt, dann sind wir auf geradem Kurs über den Ozean. Wenn wir wenden oder Fahrt aufnehmen, dann merkst du es. Der Drache spuckt dann Feuer und lässt es dich direkt in den Beinen spüren. Hast du Angst, weiche Knie vor dem Feind zu bekommen? Nun, das wirst du zwangsläufig. Die Maschine macht so einen Dampf, dass du Probleme haben wirst auf den Füßen zu bleiben!«
     
    Emilio war danach für eine Weile auf dem kleinen Balkon verschwunden, der ihren Teil des Luftschiffs umrundete. Nachdenklich starrte der Junge in die Ferne und ließ sich den Blick nicht von der im Wind flatternden Folie trüben, die ihn von der eisigen Luft der Stratosphäre trennte. Minus siebzig Grad Celsius herrschten jetzt dort draußen und bald schon würde es noch schlimmer werden. Wenn die Spanier kämen, würden sie aufsteigen in die Weiten des Alls. Hier unten regierte der Zivilverkehr, und keine Nation konnte es sich erlauben dieses Gesetz zu brechen oder Unschuldige in ihre Kämpfe zu ziehen.
    Dann aber würden sie auf Temperaturen stoßen, die einen Menschen in Sekunden töteten – eine Arena der Kälte für den Schaukampf zwischen den Nationen. Und doch, dachte Emilio, vertrauten sie ihr Glück ganz diesem Ungeheuer an. Dem Drachen, der einem die Beine vom Boden riss, wie Mateo fast mit Bewunderung konstatiert hatte. Ein kleiner Riss im Körper des Schiffes – wie ihn eine Waffe selbst primitiver Machart leicht verursachen konnte – dann war es vorbei. Die Kälte strömte ins Innere, der Luftdruck zerriss die Wände, der Fahrtwind fegte alles was noch lebte von Bord, wo es dann in Eiskristallen zerstob.
    Als Emilio den Blick nach unten senkte – er presste das Gesicht so weit in die Folie und über die Reling, bis ihm das Atmen schwer fiel – entdeckte er einen Vogel, der kaum einen Kilometer unter dem Schiff und weit über den letzten Wolken die Schwingen ausbreitete. Das Tier schien die letzten verträglichen Luftschichten unter seinen Flügeln zu sammeln und wie auf einem Kissen zu thronen. Dann stürzte es plötzlich nach unten (fast konnte Emilio den Tunnel sehen, den es sich in die Atmosphäre bohrte), und durchstieß die Wolkenwand, um sich endlich in lebendigere Regionen zu verabschieden.
    Der Vogel kann Reißaus vor dem Drachen nehmen , dachte Emilio. Ich muss gemeinsam mit dem Ungeheuer zurück zum Boden. Oder mit ihm sterben.
     
II. Emilio
     
    Dank seiner schnellen Auffassungsgabe konnte Emilio bald nach seinem Antritt an Bord allein durch die Gänge streifen. Wie alle Gewerke hatten die Weichensteller einen eng abgesteckten Arbeitsbereich, der auch ohne große Vorkenntnisse zu beherrschen war, gesetzt den Fall man verstand sich auf die Bedienung der entsprechenden Gerätschaften.
    Neben dem Wärmearmreif, der mittels leicht erhitzbarer Chemikalien die Richtung weisen konnte, hatte Emilio ein Okular, das ihm einen Infrarotblick auf die Rohre ermöglichte. So schlich er denn mit seinem besonderen Blick auf die Welt durch die Gänge: links ein Dampfstrahl, den er zur nächsten Weiche verfolgen

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