Die Stein-Strategie: Von der Kunst, nicht zu handeln (German Edition)
von einem Gespräch mit Jobs im Jahr 1998, als dieser nach seiner Rückkehr als Geschäftsführer das Ruder bei Apple einigermaßen herumgerissen hatte, aber der Konzern sich immer noch in einer unkomfortablen Nische des PC-Marktes befand. Was dennseine Strategie angesichts der prekären Marktposition sei, wollte Rumelt wissen. Jobs erwiderte: „I am going to wait for the next big thing.“ Man könnte das für eine lapidare Standardantwort im Geiste der „kalifornischen Ideologie“ halten: Easy, wir warten einfach auf die nächste große Welle. Für Rumelt aber ist sie ein Paradebeispiel für gutes strategisches Denken: Keine vollmundigen Zielverkündigungen, kein wolkiges Wunschdenken, vielmehr Ausdruck von gut abgehangener Klugheit und Demut vor der Zukunft.
Dazu passt, dass Steve Jobs sich seit seiner Collegezeit mit fernöstlicher Spiritualität befasste und vom Zen-Buddhismus inspirieren ließ. Auf der Suche nach einem philosophischen Überbau für die Stein-Strategie wird man am ehesten dort fündig: in den fernöstlichen Lehren und den geharkten Steingärten des Zen, deren Ästhetik vor über tausend Jahren von chinesischen Mönchen nach Japan importiert wurde. Die Grundprinzipien „Kanso“ (Schlichtheit), „Shizen“ (Natürlichkeit) und „Shibumi“ (Eleganz) kennzeichnen nicht nur die Designsprache von Apple, sondern lassen sich als ethische Maximen im Sinne der Stein-Strategie auf das ganze Leben übertragen. Das Ideal heiterer Gelassenheit findet sich wieder in der schlichten Eleganz des wellenförmigen Kieses, das Ideal innerer Ruhe und individueller Kompaktheit in der Symbolik des einzelnen Kiesels.
Sicher könnte man auch die Tradition der Stoa bemühen, die aus ihrem pantheistischen Materialismus heraus bei vergleichbaren Empfehlungen für eine demütige und gelassene – eben: stoische – Lebensweise landet. Man könnte bei Seneca nachlesen, wie man „Gemütsruhe“ erlangt, nämlich indem man aufhört, „nach Veränderung zu haschen, als wäre sie Abhilfe“.
Man könnte Ovid heranzitieren, der noch davon ausging, dass die Menschheit von den Steinen abstammt und auf den der Spruch „Steter Tropfen höhlt den Stein“ zurückgeht. Man könnte im Alten Testament der Bibel nachschlagen, wo Lots Frau zur Salzsäule erstarrte.
Nur würde man sichdamit den semantischen Überschuss und die Spitzfindigkeiten der abendländischen Philosophiegeschichte einhandeln, wohingegen das Zendurch eine angenehme Inhaltslosigkeit besticht: Leere statt Lehre. Wie der Zen-Meister Ikkyū Sōjun zu einem Verzweifelten sagte: „Ich würde gerne irgendetwas anbieten, um Dir zu helfen, aber im Zen haben wir überhaupt nichts.“
Andererseits sollte man es sich mit den Asiaten auch nicht zu einfachmachen. Mittlerweile meditieren ja nicht nur Hippies und Hermann-Hesse-Jünger, auch Abteilungsleiter und Sparkassenangestellte praktizieren Yoga und zitieren Zen-Weisheiten. Die fernöstliche „Spiritualisierung der Ökonomie“ oder Manager-Dämmerung , wie der Titel einer Anthologie von 1990 es treffend nennt, hatte ihren Urknall in den 1980ern und erreichte ihren Höhepunkt um die Jahrtausendwende. Rezipiert oder besser: re-interpretiert wurden dabei nicht nur die friedliebenden Lehren des Zen und die pragmatische konfuzianische Staatskunst, sondern auch die antike chinesische Kriegskunst, die 36 Strategeme und die Lehren von Sunzi oder Sun Tsu, demältesten Militärstrategiebuch der Welt. Findige Autoren übersetzten all das in handliche Sachbücher, die den Beisatz „(…) für Manager“ im Titel trugen. Der Gemischtwarenladen war eröffnet und jeder konnte sich nach Gusto bedienen.
Anlass genug für den französischen Philosophenund Sinologen François Jullien, der einige Jahre selbst in China gelebt hatte, den westlichen Managern und ihren Vordenkern die Rübe zurechtzurücken. In einem Vortrag vor Managern über Wirksamkeit und Effizienz in China und im Westen , der 2006 auf Deutsch als Merve-Bändchen erschien, insistiert er auf einer fundamentalen Andersartigkeit des chinesischen Denkens, die in der Übersetzung regelmäßig verlorengeht: der Vorstellung davon, wie man Wirksamkeit erlangt.
Das Erfolgsrezept des Westens, das spätestens seit der Aufklärung seine ökonomisch-technologische Vormachtstellung begründet, wurde laut Jullien in der Antike ersonnen. Es basiert auf der Modellbildung und daraus abgeleiteter rationaler Planung: „Ich meine, die griechische Auffassung der Wirksamkeit lässt
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