Die Stein-Strategie: Von der Kunst, nicht zu handeln (German Edition)
besten Profis verstehen, wie viel Zeit sie zur Verfügung haben, um eine Entscheidung zu fällen, unter Maßgabe dieses Zeitfensters warten sie dann, so lange sie irgend können.“
Anleger-Legende Warren Buffett, den Partnoy als leuchtendes Beispiel anführt, scheint diese Prinzipien verinnerlicht zu haben. Wie kein Zweiter beherrscht er die Kunst des Lauerns, des Wartens, des langen Atems, was Buffettauch selbst immer wieder betont: „Wir werden nicht dafür bezahlt, dass wir schnell sind, sondern dass wir richtig liegen. Zur Frage, wie lange wir dabei abwarten: Wir warten unbestimmte Zeit.“ Die größte Selbstdisziplin erfordere es, all die verlockenden Investment-Optionen vorbeiziehen zu lassen, bis sich eine wirklich vielversprechende Chance auftut. Buffett vergleicht die Börse mit einem Baseballspiel, bei dem man Ball um Ball vorbeiziehen lässt, bevor man sich zum Schlag entschließt, während das Publikum einen permanent anfeuert: „Jetzt schlag endlich!“ Sein jüngsterCoup, mit dem niemand gerechnet hätte, bestand Anfang 2013 darin, die Mehrheit am langweiligen Old-Economy-Unternehmen Heinz zu übernehmen – mit der entwaffnenden Begründung „Ich liebe Ketchup“. Prompt schoss der Aktienkurs nach oben, weil die Börse aufden magischen „Buffett-Touch“ vertraut.
Buffetts bodenständige Anlagestrategie besteht darin, wenige Deals abzuschließen und seine Beteiligungen lange zuhalten. Sein Credo in einer Nussschale: „Beim Investieren korreliertAktivitätnicht mit Leistung.“ An anderer Stelle beschrieb er seine Investmentstrategie einmal als „Lethargie an der Grenze zum Faultierhaften“.Eigentlich bestätigt er damit nur eine Börsen-Binsenweisheit namens „buy & hold“, die weiland schon André Kostolany predigte: ein gut gemischtes Portfolio kaufen und lange liegen lassen! Wörtlich: „Wenn Du reich werden willst, dann kaufe Aktien und nimm Schlaftabletten – sieh erst zehn Jahre später nach, was daraus geworden ist!“ Das allgemeine Wirtschaftswachstum wird schon für angemessenen Wertzuwachs sorgen; die Flut hebt alle Boote.
Zwar wird diese Überzeugung in letzter Zeit massiv von interessierter Seite angeschossen. Fondsmanager und Banken, die für ständiges Umschichten bezahlen lassen oder daran verdienen, dass Kunden ihr Portfolio selbst andauernd bewirtschaften, behaupten, in einem so volatilen Marktumfeld wie dem heutigen habe „buy &hold“ ausgedient. Bisher hat aber niemand eine bessere Strategie gefunden. Patrick Bernau fasst im März 2013 in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung den aktuellen Forschungsstand so zusammen: „Sicher ist: Mit Schlaftabletten vermehrt sichdas Geld besser als ohne. Wache und agile Aktionäre schichten zwar ständig um, aber sie verdienen unter dem Strich trotzdem weniger Geld als jemand, der seine Investments möglichst lange liegen lässt.“
Auch wenn es die Trader und Banker nicht wahrhaben wollen, hat Kostolany eine eherne ökonomische Wahrheit auf seiner Seite, die auch durch den irrationalen Überschwang der Finanzkrise nicht ausgehebelt wurde: Weil alle verfügbaren Informationen zu jedem Zeitpunkt bereits in die Kurseeingepreistsind, kann man mit seiner Strategie auf lange Sicht nichts falsch machen, sofern nicht die Weltwirtschaft zusammenbricht. Wie sich die einzelne Aktienposition entwickelt, ist per Definition „random walk“, also Resultat einer ungewissen Zukunft, die auch die besten Analysten nicht kennen können – denn sonst wäre sie ja bereits eingepreist.
Dennoch unterliegen nicht nur Kleinanleger, sondern auch und gerade Fondsmanager der Versuchung, hektisch zu spekulieren, weil sie sich für klüger halten als der Markt. Dabei belegt eine wachsende Zahl von Studien, dass es nur den allerwenigsten aktiv gemanagten Fonds gelingt, entsprechende Indizes wie den DAX oder NIKKEI zu schlagen. Ihre Manager – und damit deren Anleger – unterliegen neben dem Action bias noch einer ganzen Latte systematischer Wahrnehmungsverzerrungen wie der Kontrollillusion, die sie glauben lässt, durch aktives Handeln positive Resultate zu erzielen.
Situationspotenziale
Einen anderen Markt-Magier mit Midas-Touch, Apple-Gründer Steve Jobs,schätzte man eigentlich vorallem für seinen Möglichkeitssinn und sein visionäres Zukunftsgespür. Neben diesen Ausnahmetalenten besaß aber auch Jobs die Gabe des klugen Abwartens, wie wir Richard Rumelts Buch Good Strategy , Bad Strategy entnehmen können. Rumelt berichtet
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