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Die Stein-Strategie: Von der Kunst, nicht zu handeln (German Edition)

Die Stein-Strategie: Von der Kunst, nicht zu handeln (German Edition)

Titel: Die Stein-Strategie: Von der Kunst, nicht zu handeln (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holm Friebe
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„Die Akazie schelten, dabei aber auf den Maulbeer zeigen“ – in Wahrheit sind es weniger Strategien als taktische Finten und Winkelzüge.
    Am Anfang der Neuzeit beantwortete der Medici-Einflüsterer Niccoló Machiavelli die Frage, ob es für einen Herrscher besser sei, geliebt oder gefürchtet zu sein, mit erfrischendem Realitätssinn: nach Möglichkeit beides, aber wenn man sich denn für eines entscheiden müsse, dann besser gefürchtet. Die Wahrheit müsse man nur sagen, wenn man Gefahr laufe, beim Lügen erwischt zu werden. Aufklärerische Interpreten waren sich lange Zeit nicht sicher, ob es sich bei Machiavellis Buch Der Fürst nicht vielleicht um Satire handele.
    Unmissverständlicher war da schon General von Clausewitz’ Handbuch der Kriegskunst Vom Kriege aus dem frühen 19. Jahrhundert. Mit preußischer Sachlichkeit und Akribie wird darin zwischen Strategie und Taktik, innerhalb der Strategien noch einmal zwischen „Niederwerfungs-“ und „Ermattungsstrategie“ differenziert. Clausewitz war auch der Erste, der darauf hinwies, dass es im Krieg immer außerplanmäßige „Friktionen“ gebe und im „Nebel des Krieges“ nichts so laufe wie geplant.
    In der ersten Hochphase des Kalten Krieges 1960 schließlich legte Thomas C. Schelling mit seiner Analyse  The Strategy of Conflict die Grundlagen für die wissenschaftliche Spieltheorie, wofür er später den Wirtschaftsnobelpreis erhielt. Am Anfang steht bei ihm die Unterscheidung zwischen denen, die Konflikte für etwas Pathologisches halten, das es zu beseitigen und zu überwinden gilt, und der Fraktion derer, die Konflikte als gegebene und wiederkehrende Tatsache begreifen und sie in all ihrer Komplexität verstehen wollen – wobei Letztere natürlich den spannenderen Ansatz verfolgen.
    Dagegen nehmen sich die heutigen zoologisch inspirierten Strategiebücher eher naseweis und bauernschlau aus. Auch wenn bislang noch niemand eine Hunde-Strategie für Manager formuliert hat, kann man sagen: Das Genre ist auf den Hund gekommen. Angesichts des unterschwelligen und unreflektierten (oder auch: bewusst in Kauf genommenen) Zynismus, den es darstellt, erwachsene Menschen mit den Verhaltensmustern und Reaktionsweisen von Säugern, Nagern und Ungeziefer zu behelligen, ist es ein geradezu konsequenter Rettungsversuch für das Genre, zur – mit Max Goldtgesprochen: – „majestätischen Ruhe des Anorganischen“ durchzubrechen und den Stein zum inspirierenden Vorbild zu erküren.
    Die Menschen mögen Steine – bis hin zur Identifikation mit ihnen. I Am A Rock sangen Simon and Garfunkel Anfang der 1960er. Und Bob Dylanfragte sich: „How does it feel, to be on your own (…) like a rolling stone?“ Zehn Jahre später wurde es in der Hippiekultur der USA Mode, sich Steine als Haustiere zu halten. Der „Pet Rock“, ein handelsüblicher Kieselstein, kam auf Stroh gebettet in einer mit Luftlöchern versehenen Transportschachtel ins Haus. Er war anspruchslos, pflegeleicht und selbst Kindern guten Gewissens zu überantworten. Über eine Million „Pet Rocks“ wurden seinerzeit verkauft, was den Erfinder Gary Dahl aus Kalifornien zu einem reichen Mann machte. Heute gibt es die Neuauflage des Haustier-Steins mit USB-Anschluss im Internet zu bestellen.
    Die evolutorische Überlegenheit nicht-domestizierter Steine ist unabweisbar: Wenn dereinst Menschen, Mäuse, selbst Kakerlaken vom Erdboden verschwunden sein werden, wird es immer noch und für eine lange Zeit danach Steine geben. Steine sind optimal angepasst an ihre natürliche Umgebung. Steine denken in langen Zeiträumen und großen Bögen; der schnelle Vorteil – sogenannte „quick wins“ – sind nicht ihr Geschäftsmodell. Steine sind ihrem gesamten Wesen nach grundsolide.
    Die Stein-Strategie ist demnach ein Programm innerer Beständigkeit und langfristiger Überlegenheit. Sie versteht sich als Übung in Selbstdisziplin und Antidot gegen Ungeduld und Aktionismus, Unrast und Umtriebigkeit. Der Spur der Steine folgen heißt, Eigensinn und Gelassenheit erfolgreich zu kombinieren, den geschmeidigen situativen Wechsel zwischen Beharrlichkeit und Geschehenlassen zu praktizieren. Oder kürzer und mit Dank an den großen Robert Gernhardt: Von Steinen lernen heißt liegen lernen.
    In einer Nussschale meint die Stein-Strategie: weniger tun, eigentlich fast gar nichts tun, aber das Wenige mit durchschlagender Wirksamkeit. Sie ist eine Variation auf das ewige Thema „In der Ruhe liegt die Kraft“,

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