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Die Stein-Strategie: Von der Kunst, nicht zu handeln (German Edition)

Die Stein-Strategie: Von der Kunst, nicht zu handeln (German Edition)

Titel: Die Stein-Strategie: Von der Kunst, nicht zu handeln (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holm Friebe
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rekursiver Konflikte, ist die Paarkonstellation. Schon bei der Überwindung jener kosmischen Unwahrscheinlichkeit, dass der, den ich begehre, mich auch wollen könnte, entfaltet das Schweigen eine große Hebelwirkung.
    Im dritten Buch seiner Liebeskunst , das aufgrund des großen Erfolges seiner beiden Männer-Ratgeber für die römische Antike entstand, schreibt Ovid den Frauen ins Pflichtenheft: „Mach dich rar!“ Noch 1995 knüpfte der auf den US-Markt gemünzte Dating-Ratgeber für Frauen The Rules nahtlos daran an und verkündete verbindlich: „Don’t talk to men first!“, „Don’t stare at men and talk too much!“ sowie: „Don’t call him and rarely return his calls!“.
    Das kann uns jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass heute, mit wachsender Unübersichtlichkeit der Geschlechterrollen, das romantische Liebeswerben nicht mehr allein Männersache ist – und das Sich-Zieren demnach nicht mehr allein Domäne der Frauen. Unter männlichen Eroberern mit sportlichem Ehrgeiz, die sich selbst als „Pick-Up-Artists“ bezeichnen, wird das Rarmachen als Schlüssel zum Serienerfolg gehandelt. In den einschlägigen Foren von Internet-Dating-Plattformen herrscht große Konfusion darüber, wer sich nach dem wievielten Date in welcher Form bei wem zu melden hat und was das dann bedeuten könnte. Fazit ist: Verbindliche Regeln gibt es nicht mehr. Es herrscht das freie Spiel der Marktkräfte. Die kürzere Marktseite setzt sich durch.Oder, wie es ein Facebook-Beziehungsstatus auf den Punkt bringt: Es ist kompliziert.
    Hat es dann doch irgendwie geklappt mit der Anbahnung, und man steckt frisch in einer Beziehung, ist das beredte Schweigen unser schärfstes Schwert, dem anderen unseren Willen und unsere Vorstellungen aufzuzwingen. Bei Beziehungsstress und in handfesten Krisen gewinnt nicht, wer das letzte Wort hat, sondern wer als Erster schweigt. Das Gegenüber, auf sich selbst und seine letzten, möglicherweise unvorsichtigen Wortezurückgeworfen, versucht, das Schweigen auszudeuten und wird durch die unterbleibende Rückmeldung schier in den Wahnsinn getrieben.
    Welche Gefahren im Kommunikationsabbruch lauern,davon berichtet der Journalist Christoph Koch in seinem Buch Ich bin dann mal offline . Er tutdas anhand einer realen Begebenheit, die durch das Internet bekannt wurde und deren epische Dramaturgie hier nur auszugsweise wiedergegeben werden soll. Ein kanadischer Collegestudent namens JD war für zwei Wochen zu einer einsamen Hütte in den Rocky Mountains aufgebrochen, hatte das Mobiltelefon zu Hause gelassen und seine damalige Freundin Ern im Vorfeld darüber informiert. Die hatte das jedoch umgehend wieder vergessen; sie sei immer „sehr mit sich selbst beschäftigt“ gewesen. Als er zurückkehrt, findet er über 20 Emails, SMS- und Mailbox-Nachrichten vor, angefangen an Tag 1 mit: „Hey, ich geh heute Abend mit den Mädels aus. Knutsch, Ern“ und „Ich noch mal, hab Dich heute ein paar Mal versucht, anzurufen. Willst Du nicht mit mir reden? ;)“
    An Tag 3 wird es schon frostiger: „Was soll das? Warum reagierst Du nicht auf meine Mails und Anrufe? Wo bist Du? Ich hab den ganzen Abend gewartet, dass Du Dich meldest. Das gefällt mir überhaupt nicht. Ruf mich an, SOBALD Du das liest (…)“ Bald gefolgt von jähzornigem Unverständnis an Tag 5: „Was hab ich denn getan? War es einfach an der Zeit, mich abzuschießen? Dann hättest Du es mir wenigstens ins Gesicht sagen können, Du &%($%&! Es ist aus. Ruf mich nicht an, schreib mir keine SMS, keine Mails.“
    Der vollständige Einbruch an Tag 7 („Ich hasse dich!“) produziert den taktischen Gegenschlag an Tag 10: „Hey, Arschgesicht! Erinnerst Du Dich an den Kumpel von mir, auf den Du so eifersüchtig warst? Gerade war ich bei ihm und hab mich ausgeheult, und er hat mir gesagt, wie toll ich bin, und ich war mit ihm im Bett, nur damit du es weißt. Hahaha, wer ist jetzt der Blöde? Ich kann jeden haben, den ich will, und Du sitzt zuhause und schaust blöd aus der Wäsche.“ Nur um an Tag 12 wieder in Zerknirschung zu münden: „Okay, wenn du mich nicht anrufen willst, hör einfach nur zu: Ich dachte, das zwischen uns wäre was Besonderes gewesen. Und jetzt hast Du es alles weggeworfen? Ich versteh’s einfach nicht. Irgendetwas muss passiert sein, aber wenn Du ehrlich bist, wirst Du zugeben, dass Du immer noch etwas für mich empfindest. Lass uns doch noch einmal in Ruhe über alles sprechen. Vielleicht ändert es nichts, aber dieses

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