Die Stein-Strategie: Von der Kunst, nicht zu handeln (German Edition)
wurde nicht gelöst. Sonderndie Beteiligten machen einfach dort weiter, wo sie vor dem Konflikt waren, wenden sich, als sei es der Streit anderer Leute gewesen, dem zu, was gerade ansteht. Und gehen auch später nicht mehr darauf ein, was abends alles gesagt wurde.“
In emotionalen Extremsituationen neigt man zu hitzigen Überreaktionen, und ein Wort gibt dann das andere. Diese Spirale der Eskalation zu durchbrechen und etwas Zeit ins Land gehen zu lassen, ist das Beste, was man tun kann. Das sprichwörtliche „Erst einmal Gras drüber wachsen lassen“ birgt eine große Klugheit in sich. Man sollte viel mehr auf die Selbstheilungskräfte des Sozialen vertrauen. Unter der Überschrift „Mund zu, Herz auf“ übersetzt die Zeitschrift Neon diese Erkenntnis für die Zielgruppe der 25-jährigen Peek-&-Cloppenburg-Verkäuferin und erklärt, „Warum die Liebe länger hält, wenn man lernt zu schweigen“: „Muss man einander wirklich ständig sagen, was gerade wieder suboptimal war? Dass gerade so ein komischer Vorwurf in der Stimme lag, als er sagte, die Geschäfte machen gleich zu? Wieso er nicht die Tür aufgehalten hat?“ Tendenz: nein. Einfach mal öfter die Klappe halten und den „Emotrash“ Emoschrott sein lassen. Oder auch: Gefühle zulassen, Bierflasche aufmachen.
Frank Partnoy empfiehlt für den Fall eines offensichtlichen und nicht zu leugnenden Fehlverhaltens – ob im Privaten oder bei der Krisen-PR von Konzernen – erst einmal abzuwarten, bevor man sich entschuldigt. Sonst verpufft die Wirkung, weil die Betroffenen noch zu sehr unter dem Eindruck des Ereignisses (eine Beleidigung, ein aufgeflogener Seitensprung, das Havarieren einer Öl-Plattform) stehen. Das Opfer oder die Öffentlichkeit braucht Zeit, um das Geschehene zu begreifen und das Ausmaß des Schadens zu ermessen.Hinzu kommt, dass eine Entschuldigung als glaubwürdiger empfunden wird, wenn sie etwas abgehangen daherkommt. „Wenn wir uns etwas Zeit nehmen, bevor wir uns entschuldigen – wenn es uns gelingt, sie in die Langzeitwelt von Stunden oder gar Tagen zu strecken –, zeigen wir damit, dass wir die Gefühle der zu Schaden gekommenen Person ernsthaft erwogen haben, was bei einem Schnellschuss nicht der Fall wäre.“ Übermäßig lange sollte man allerdings auch nicht warten, sonst wirkt die Entschuldigung wie eine erzwungene, nur widerwillig und halbherzig vollzogene Reaktion. Was eine angemessene Reaktionszeit ist, hängt von der Situation ab und braucht entsprechendes psychologisches Feingefühl: „Das Timing von Entschuldigungen ist mehr eine Kunst als eine Wissenschaft.“
Wer im Contenance-Bewahren schon immer weit vorne war, ist die britische Queen. Ihre Öffentlichkeitsarbeit – oder besser: die Abwesenheit davon – stand die längste Zeit unter dem majestätischen Motto: „Never complain, never explain!“ Ein Staatsoberhaupt muss sich nicht erklären, vor allem sollte es nicht geschwätzig sein Seelenleben vor der Öffentlichkeit ausbreiten. Jahrzehntelang ist die Queen gut damit gefahren und hat die Würde des Amtes zur Zufriedenheit ihrer Untertanen gewahrt. Erst als Lady Di im Tunnel von Paris spektakulär ums Leben kam, wurde der Druck der Straße, verstärkt durch die Medien, so groß, dass selbst die Queen sich erklären und öffentliche Anteilnahme bekunden musste. Und es bewegt sie doch. Was für ein Ereignis das war, lässt sich daran ermessen, dass Jahre später mit The Queen ein Kinofilm weltweit erfolgreich war, der nur diesen Umstand ins Zentrum rückte.
Sich nie beschweren und nie erklären, das lässt sich also nicht immer durchhalten. Nicht in einem medialen Klima, in welchem Schweigen als Schwäche oder Schuldeingeständnis interpretiert wird. Doch selbst wenn Krisen-PR unter der Transparenz-Maßgabe des Internet-Zeitalters eher nach offener und schneller Kommunikation verlangt, gilt nicht nur für in flagranti Festgenommene der Grundsatz: „Sie haben das Recht, die Aussage zu verweigern.“ Gerade in der Hitze des öffentlichen Scheinwerferlichtes muss man kühlen Kopf bewahren, bevor man sich um Kopf und Kragen redet. Die beiden Os des OODA-Prinzips, „observe“ und „orient“, sind dabei wichtige Vorspeisen, die vor den Hauptgängen „decide“ und „act“ serviert werden müssen. Es läuft auf die einfache Wahrheit hinaus, dass nichts so heiß gegessen wird, wie es gekocht wird. Dass Rache ein Gericht ist, das am besten kalt serviert wird, gehört natürlich nicht
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