Die Stein-Strategie: Von der Kunst, nicht zu handeln (German Edition)
liefert, den Kundenkontakt schlussendlich ins Positive zu wenden.
Als neuer Ansatz für die Markenkommunikation von Unternehmentaugt das Schock-Marketing wohl ebenso wenig wie als Richtschnur für das Verhalten von Mitarbeitern in Kundendienst-Callcentern.Aber als künstlerische Intervention und Anregung im Sinne der Stein-Strategie ist es durchaus aufschlussreich. Denn auch im Marketing gilt: Willst du geliebt werden, mach dich rar! Wer sich anbiedert, hat es wohl nötig. Wer sich allzusehr aufdrängt, der geht dem Publikum alsbald auf die Nerven.
Eine Reihe exklusiver Marken und Labels setzt auf eine weichgespülte Version des Schock-Marketings. Um ihren Charakter als Geheimtipp „for those who know“ zu wahren, wenden sie eine „Closed shop“-Mechanik an – nur eine Schar handverlesener Privilegierter darf auf Einladung dort kaufen – und verzichten natürlich auf Werbung. So etwa das Insider-Label „Clemens en August“ von Alexander Brenninkmeijer, einem Spross der deutschen Bekleidungsdynastie (der Name ist eine Anspielung auf den Brenninkmeijer'schen Familienkonzern C&A). Die Prêt-à-porter-Kollektion wird während einer Roadshow verkauft, bei der die Marke tageweise in Museen und Galerien gastiert. „So erschafft der Holländer Brenninkmeijer eine neue Art der Exklusivität, die auf Zeit und Mühe basiert“, schreibt die Welt: „Seine Kunden bekommen das Gefühl, durch bloße Anwesenheit etwas geleistet zu haben. Bisher scheint das Prinzip der künstlichen Verknappung zu funktionieren. Viele Kunden kämen bereits am Eröffnungstag, um noch genug Auswahl zu haben, erzählt er. Und der Druck, die einmalige Gelegenheit nicht zu verpassen, bringt die Leute wohl auch dazu, mehr zu kaufen.“
Auch mit dem infantilen Aberglauben, dass der Kunde immer und unbedingt König sei und man ihm entsprechend nachstellen und um den Bart gehen müsse,wird dankenswerterweise allmählich aufgeräumt. Der Inder Vineet Nayar führt sein Unternehmen HCL Technologies, einen IT-Service-Provider mit immerhin knapp 5 Milliarden US-Dollar Umsatz, seit 2005 nach der Philosophie employees first, customers second . „Wir wandelten uns von einem Unternehmen mit großer Zermürbung und geringer Attraktivität zu dem Nummer-eins-Arbeitgeber in Indien, Asien, dem gesamten Vereinigten Königreich“, schreibt Nayar in seinem nach der Unternehmensphilosophie benannten Buch. Das hat ihm nicht nur viel Aufmerksamkeit in Management-Kreisen, inklusive Stammplatz auf den Podien einschlägiger Konferenzen, eingebracht, sondern auch jährliche Wachstumsraten von über 25 Prozent. Wenn die Mitarbeiter glücklich sind, machen sie gute Produkte, und die Kunden kommen von selbst.
Schon Hans Domizlaff, der deutsche Erfinder der Markentechnik, zog – gepfeffert mit einer ordentlichen Prise nationalistischemKulturkonservatismus – gegen die aus Amerika kommende marktschreierische Reklame zu Felde und verteidigte dagegen den zurückhaltenden Stil des ehrbaren deutschen Kaufmanns, der seine Waren nicht aufdrängen müsse. In seinem Lehrbuch Die Gewinnung des öffentlichen Vertrauens von 1939 schreibt er: „Der Stil der Markentechnik ist der Stil einer unaufdringlichen Vornehmheit und einer selbstsicheren Würde nach dem Maßstab des zugehörigen Marktes.“ Diesen fand er seinerzeit noch in den Kleinstädten oder bei den hanseatischen Kaufleuten des Nordens, während er die Hauptstadt längst verloren gegeben hatte an die „smarte Verkaufskunst“ und „viel gerühmte Technik der Verkaufskanonen“: „Berlin ist eigentlich ein Jahrmarkt, und seine Bewohner sind durch Jahrmarktmethoden abgestumpft oder misstrauisch gemacht.“
Man muss Domizlaff mit Vorsicht zitieren. Aber bei der Übersetzung der Stein-Strategie in Markentechnik kann man sich getrost auf ihn einlassen. Der Weg der Marke – der Pfad des langfristigen und soliden Markenaufbaus – ist nicht der des bekoksten Werbers, der sich andauernd neue Marketing-Gags, markige Slogans und PR-Stunts ausdenkt. Vielmehr ähnelt die Arbeit an der Marke der eines Bildhauers oder Steinmetzes, der in einem langwierigen und bedächtigen Prozess alles von einem Steinklotz weghaut, was nicht nach Marke aussieht. Steine machen keine marktschreierische Reklame für sich. Steine lassen sich finden.
Readymade
Wie weit man es mit vielsagendem Schweigen als Marke bringen kann, zeigt die Karriere von Kate Moss. Von ihren Körpermaßen her eigentlich völlig ungeeignet für den Job, hat
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