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Die Stein-Strategie: Von der Kunst, nicht zu handeln (German Edition)

Die Stein-Strategie: Von der Kunst, nicht zu handeln (German Edition)

Titel: Die Stein-Strategie: Von der Kunst, nicht zu handeln (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holm Friebe
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„Gedöns“ und „nice to have“ abzutun: Es handelt sich dabei um eine essentielle Überlebensnotwendigkeit.
Postheroisches Management
    Eine weitere Lehre, die wir aus der systemischen Betrachtung ziehen können, betrifft die Steuerbarkeit von komplexen sozialen Systemen. Die wird nämlich, man ahnt es, gemeinhin überschätzt. Diese Selbstüberschätzung der Wirksamkeit eigener Steuerung und Planung ist wiederum ein konstitutiver Faktor im System Management. Matthew Stewart, ein studierter Philosoph, der sieben Jahre in einer Management-Beratung gearbeitet hat, spricht sogar vom „Mythos Management“. Er sei, so berichtet er von seiner Zeit unter Managern, ohne jeglicheWirtschaftskenntnisse stets gut durchgekommen, indem er Phrasen wie „Out-of-the-box-thinking“, „Win-win-Situation“ oder „Kernkompetenzen“ abgesondert habe. Die verstörendste Lernerfahrung sei für ihn jedoch gewesen, wie hoffnungslos unterkomplex das Weltbild nicht nur von Managern sei, sondern auch das der gängigen Management-Theorie.
    Stewarts vernichtendes Urteil über die Bestseller in der aktuellen Management-Literatur lautet: „Jede neue Mode richtet die volle Aufmerksamkeit auf die eine oder andere Tugend – zuerst ist es Effizienz, dann Qualität, dann Kundenzufriedenheit, dann Zuliefererzufriedenheit, dann Selbstzufriedenheit und am Ende auf einmal wieder Effizienz. Wenn das an die zahnlosen Weisheiten der Selbsthilfe-Ratgeber erinnert, dann rührt das daher, dass Management-Theorie im Wesentlichen ein Subgenre von Selbsthilfe ist.“ Dennoch oder deshalb werde alles stets mit einer „päpstlichen Unfehlbarkeit“ vorgebracht, die einen in den Wahnsinn treibe. Wen das jedoch nicht anficht, das sind die Manager in ihrer Gewissheit, das Richtige zu tun.
    Ein komplexes soziales System ist keine Uhr, die man aufzieht. Deshalb geht auch die mechanistische Idee von Mitarbeitermotivation an der Realität vorbei, Reinhard K. Sprenger, einer der Klügeren unter den Management-Vordenkern, spricht gar vom „Mythos Motivation“.
    Eine Organisation ist auch kein Auto, in das man einsteigtund losfährt, indem man den Zündschlüssel dreht und das Gaspedal tritt. Nassim Taleb nennt diese im Management weitverbreiteten Vorstellungen linearer Wirksamkeit „naive Intervention“. Sie entständen meist aus dem Zwang heraus, „etwas zu tun“, und bewirkten in aller Regel nichts oder das Gegenteil des Beabsichtigten, weil sie in vollkommener Ignoranz gegenüber der Eigenlogik und nonlinearen Dynamik des Systems entstünden.
    Vieles darüber kann man bei Niklas Luhmann und seinen Schülern nachlesen. Dirk Baecker, der bekannteste, hat die Lehren aus der Eigenlogik von Organisationen schon 1994 auf das Schlagwort vom postheroischen Management gebracht, was allerdings bis heute nicht wirklich bis zu den Verantwortlichen durchgedrungen ist. Unterhaltsamer, dabei in der Sache vollkommen ernst, hat sie der amerikanische Autor und Ex-Kinderarzt John Gall in einen Ansatz überführt, den er „Systemantics“ nennt. Seine erste, allerwichtigste und uns umgangssprachlich als „never change a running system“ vertraute Regel lautet: „Neue Systeme bedeuten neue Probleme.“
    Man kann es nicht oft genug betonen. Im Vorwort zur dritten Auflage seiner Systemantics -Bibel fasst Gall noch einmal zusammen, was man aus seiner Sicht beherzigen sollte, bevor man beginnt, an komplexen Systemen herumzumanipulieren: „Wir jedoch bleiben treu bei unserer ursprünglichen Position von Demut und Vorsicht, wenn wir es mit Systemen egal welcher Größe zu tun haben. Die jüngste Erfahrung hat uns erneut die absolute Notwendigkeit dieser doppelten Haltung gelehrt, und wir riskieren den Verdacht, dass kein noch so gewaltiger Fortschritt bei der Erforschung von Systemen uns jemals davon abbringen wird. Ein System verfügt nach allem, was wir wissen, über eine partielle Intelligenz; es nimmt Teil am großen Geist des Universums; solange wir selbst nicht über einen direkteren Draht zum Weltgeist verfügen, sind wir verdammt gut beraten, auf unsere Fußstapfen zu achten. Systeme mögen es gar nicht, wenn an ihnen herumgebastelt und herumgefrickelt wird. Sie reagieren aus Selbstschutz; der unbedachte Eindringling läuft sehr wohl Gefahr, einen unerwarteten Schock abzubekommen.“
    Nassim Taleb ist, ganz aufdieser Linie, kein Freund von strategischer Planung in Unternehmen. Er hält sie aus den genannten Gründen für „abergläubisches Geschwafel“. Als

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