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Die Stein-Strategie: Von der Kunst, nicht zu handeln (German Edition)

Die Stein-Strategie: Von der Kunst, nicht zu handeln (German Edition)

Titel: Die Stein-Strategie: Von der Kunst, nicht zu handeln (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holm Friebe
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wage ich zum Ende dieses Buches, auch auf die Gefahr hin, mich nach Philipp Tetlocks Definition zum Igelzu machen – auch dieses momentan heiß gehandelte Problem des Burn-out wie von selbst lösen, indem der anpassungsfähige Mensch seinen erlernten Egotechniken eine weitere hinzufügt, und zwar die der Informationshygiene: Wie wir gelernt haben, uns zum Schutz vor Krankheitserregern regelmäßig zu waschen und die Küche einigermaßen sauber zu halten, so werden wir auch einen vernünftigen, gesunden und allgemein akzeptierten Umgang mit der vermeintlichen Informations- und Kommunikationsflut finden. Wie der britische Medientheoretiker Clay Shirkey richtig formuliert hat: „It’s not information overload, it’s filter failure.“
    Aus dem LOHAS, dem „Lifestyle of health and sustainability“, der uns schon aus den Ohren herausquillt, wird sich der LOR herausschälen: der „Lifestyle of resilience“. Und dieMenschen werden gelernthaben, ihre technischen und sozialen Filter richtig einzustellen, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und nicht jede Spam-Mail innerhalb von fünf Minuten zu beantworten. Zum Propheten dieses neuen Lebensstils – und Vorkämpfergegen das Schönwetterprogramm der „kalifornischen Ideologie“ – schwingt sich ausgerechnet der gefallene Schriftsteller-Superstar Bret Easton Ellis auf. In seinen Romanen von Unter Null über American Psycho bis Glamorama war er lange Zeit teilnehmender Chronist des dekadenten Yuppie- und Fashonista-Jet-Sets der Ost- und Westküste. Im April 2013 wettert er nun ganz unverholen gegen den gut gelaunten Totalitarismus aus ökologischem Verhalten, positivem Denken und permanenter Selbstoptimierung: „Jeder ist also nett zu jedem. Jeder bekommt eine Eins. In einer perfekten Welt wäre das großartig. Aber leider leben wir nicht in dieser Welt. Wenn Du nicht begreifst, dass die Widrigkeiten des Lebens dir ab und zu in die Fresse schlagen, wirst Du irgendwann Selbstmord begehen. Härte dich besser ein bisschen ab. Gewöhne dich daran, dass die Welt nervt.“ Der Lifestyle of resilience beginnt mit der Einsicht, dass zu viel positives Denken irgendwann ins Negative umschlagen muss. Die Volkskrankheit Burnout ist nur die zwangsläufige Kehr- und Schattenseite einer auf Freundlichkeit getrimmten Überbetriebsamkeit.
    Gegenwärtig stecken wir aber noch mitten drin im Schlamassel der Anpassungsphase und begegnen der neuen Fülle an Möglichkeiten durch ein Zuviel an Kommunikation. Ernüchternd, wenn man in der guten alten Süddeutschen Zeitung im Oktober 2012 lesen muss: „Aber stimmt das überhaupt, die Theorie von der Umwälzkraft des Internet und der Chips, verbunden mit einer anderen Art zu leben? Es spricht vieles dafür, dass es sich um tiefen Glauben handelt. Tatsächlich sind die Wachstumsschübe durchs Internet ausgeblieben.“ Der Nobelpreisträger Robert Solow hatte dieses „Produktivitätsparadoxon“ schon 1987 beobachtet, das sich bis heute in zahlreichen Studien bestätigt, und geunkt: „Das Computerzeitalter schlägt sich überall nieder, außer in der Produktivitätsstatistik.“ Kein Wunder, möchte man ergänzen, wenn man sich anschaut, WIE in heutigen Unternehmen gearbeitet und kommuniziert wird.
    Die Französin Corinne Maier hatte als eine der wenigen durchschaut, wie sehr die angebliche „Wissensarbeit“ mittlerer Angestellter heute in Zeitverschwendung diffundiert, und während ihrer Arbeitszeit bei einem Erdöl-Konzern das ketzerische Buch Die Entdeckung der Faulheit geschrieben, in dem sie genau das offenlegt. Als das Buch 2004 erschien, wurde sie sofort gefeuert; vorher war niemandem aufgefallen, dass sie, statt sich an der allgemeinen Arbeitssimulation zu beteiligen, ihre Zeit lieber sinnvolleren und produktiveren Dingen wie ihrem Buch widmete.
    Das Wesen heutiger Wissensarbeit mit hohen Anteilen von Kreativität und Kommunikation besteht gegenüber der tayloristischen Industriearbeit darin, dass es kein lineares Verhältnis von Input und Output mehr gibt. Vielmehr findet die eigentlich wertschöpfende Arbeit in wenigen Handlungsepisoden pro Arbeitstag statt. Der Rest ist Beiwerk, Garnitur, Folklore und kommunikatives Rauschen. Jeder freischaffende Kreative weiß das, aber die anachronistischen zeitbasierten und auf Präsenzkultur pochenden Arbeitsregime sind nicht in der Lage, das angemessen abzubilden. Also gehorcht man willfährig „Parkinson’s Law“, füllt die verordnete Arbeitszeit, indem man die Zeit

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