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Die Stein-Strategie: Von der Kunst, nicht zu handeln (German Edition)

Die Stein-Strategie: Von der Kunst, nicht zu handeln (German Edition)

Titel: Die Stein-Strategie: Von der Kunst, nicht zu handeln (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holm Friebe
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Bedingungen und Bräuche aufzuzwingen, ist eine Manifestation dieses Prinzips und der ihm zugrunde liegenden Annahme, die Natur sollte gebändigt werden. Das Gleiche gilt für die Anwendung roher chemischer Gewalt und fossiler Energie, um solche Lösungen ‚passend‘ zu machen.“
    Das Ergebnis sind massenindustriell hergestellte „crude products“, wie die Autoren sie nennen: plumpe und primitive Produkte, die den optischen Standards und den meisten Kundenwünschen genügen, gerade lange genug halten, um den Hersteller seinen Schnitt machen zu lassen, aber in ihrer langfristigen Wirkung auf das Ökosystem völlig unkalkulierbar sind.
    Innovation im Sinne von „Cradle to Cradle“ heißt: das Bestehende radikal anders zu machen, 90 Prozent der in Gebrauch befindlichen Materialien wegzulassen, weil ihre langfristige Auswirkung fragwürdig ist, und Produkte so zu designen, dass wir am Ende problemlos wieder an die Rohstoffe kommen. Das Design-Ideal im Sinne der Stein-Strategie ist, weiter zugespitzt, das von rundgeschliffenen handschmeichlerischen Kieseln: formschön, praktisch und garantiert nicht gesundheitsschädlich. In einer optischen Anmutung, die so vertraut erscheint, als sei sie schon immer da gewesen. Alles, was davon signifikant abweicht, braucht eine gute Begründung. Vor diesem Hintergrund erscheint es angezeigt, nicht nur den linearen Fortschrittsbegriff, sondern auch den Hype um Innovationen einmal kritisch zu befragen. Sind es Innovationen, die uns wirklich noch zum Glück fehlen? Und suchen wir an der richtigen Stelle danach? Sollten wir nicht viel lieber das, was schon da ist, besser machen?
    Den Begriff der Innovation verabschieden und durch etwas noch viel Geileres (englisch: „awesome“) ersetzen – Umair Haque, ein unorthodoxer Management-Vordenker, macht diese Idee in seinem Blog auf der Website der Harvard Business Review stark: „Ich möchte eine Hypothese vorantreiben“, schreibt er in seinem „Awesomeness Manifesto“: „Awesomeness ist die neue Innovation.“ Innovation, das klinge doch langsam etwas abgestanden nach erster industrieller Revolution, zu sehr nach der etwas angestaubten Schumpeter’schen „kreativen Zerstörung“, und führe aufgrund immer kürzerer Innovationszyklen zu „geplanter Obsoleszenz“, der künstlich limitierten Lebenszeit von Produkten mit eingebauten Sollbruchstellen. „Awesomeness“ dagegen stelle sich ein, wenn kreative Menschen, die ihre Arbeit lieben, reale bedeutsame Werte schaffen – Haque nennt es „thick value“ – und Communities erleuchtet und inspiriert werden, weil sich ihr reales Leben dadurch verbessert: „Das ist eine bessere Form von Innovation, gebaut für das 21. Jahrhundert.“
    Man kann das fürBegriffsakrobatik nach dem Schema redundanter Wahrheiten und „truisms“ halten: Besser wär’s, wenn’s besser wär’, und „longcat is looooong!“ Aber Haque trifft einen wunden Punkt, wenn man bedenkt, wie undifferenziert der Begriff der Innovation eigentlich ist und wie einseitig er das Neue betont gegenüber dem qualitativ Hochwertigen. In dieselbe Richtung argumentiert David Edgerton in The Shock of the Old , wenn er uns ermahnt, nicht nur auf die spektakulären Technologien zu schauen, sondern auch auf die niedrigen und weitverbreiteten: „Es gibt alternative Technologien, alternative Pfade der Innovation. Die Geschichte der Innovationen ist nicht die einer zwangsläufigen Zukunft, der wir uns unterwerfen müssen, weil wir sonst sterben, sondern eine von fehlgeschlagenen Zukunftsentwürfen und Zukünften, die fest in der Vergangenheit verankert sind.“ Weshalb wir uns frei fühlen sollten, alte Fäden wieder aufzunehmen, Verschollenes wiederzuentdecken und Altbewährtes weiter zu verbessern.
    Seit Neuestem blicken auch Innovationsforscher über den Rand der Forschungs- und Entwicklungssilos von Konzernen und Universitäten und entdecken nicht-technische und soziale Innovationen in Bereichen, wo man sie lange Zeit nicht vermutet hat: im Gesundheits- und Bildungssystem zum Beispiel, wo die täglichen Routinen im Krankenhaus neu formatiert werden oder der Frontalunterricht zugunsten von Selbstlerngruppen aufgelöst wird. Der britische Thinktank NESTA kommt in einer Studie über solche „hidden innovations“ zu dem Schluss, dass diese lange Zeit übersehenen Quellen des Fortschritts vermutlich ebenso wichtig für zukünftigen Wohlstand und Prosperität sein können wie technische Neuheiten, auf die alle

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