Die steinerne Pforte
Herz schlug so hart, als wollte es im nächsten Augenblick seine Brust sprengen. Er schnappte nach Luft und fühlte einen bitteren Geschmack im Mund. Alicia . . . Einen schlechteren Moment hätte er sicher nicht wählen können, aber er musste unbedingt mit ihr reden. Da war dieses unsichtbare Band zwischen ihnen, von dem sie wahrscheinlich nicht einmal etwas ahnte, aber es war stärker als alles andere. Stärker als seine Wut, stärker als seine Angst ... Ja, er musste mit ihr reden.
Er ging wie eine ferngesteuerter Roboter auf den Nordflügel der Tribüne zu und pflanzte sich verlegen vor dem Liebespaar auf.
»Hallo!«
Die beiden hoben den Blick, erstaunt, dass es jemand wagte, sie zu stören.
»Faulkner?«, brummte Jerry. »Was willst du, geht es schon weiter?«
»Nein, das heißt. . .«
»Samuel und ich kennen uns schon lange«, unterbrach ihn Alicia mit ihrer singenden Stimme. »Wir waren mal Nachbarn.«
Sie starrte ihn mit einem undefinierbaren Ausdruck in den Augen an: eine Mischung aus Interesse, Neugier, vielleicht Groll, und Erinnerungen, so vielen Erinnerungen! Samuel kniff sich heimlich in die Hand, um nicht loszuheulen.
»Du kennst Faulkner?«, fragte Paxton. »Davon hast du mir nie etwas erzählt.«
»Wir haben uns mindestens drei Jahre nicht mehr gesprochen ... Ich konnte doch nicht ahnen, dass er uns Hallo sagen würde! Oder kommst du nur wegen des Wettkampfs?«
»Es tut mir so leid, Alicia«, stotterte Sam. »Ich ... ich habe mich benommen wie ein Idiot. Ich hätte zu dir gehen sollen, dir alles erklären. In meinem Kopf ging alles drunter und drüber! Ich weiß auch nicht, was mit mir los war . . . Du ... du hast dich verändert!«
»Du bist unvorstellbar schön«, fügte er in Gedanken hinzu, »und bestimmt steht es mir ms Gesicht geschrieben, dass ich immer noch in dich verknallt bin!«
»Ich nehme an, das soll ein Kompliment sein«, erwiderte Alicia mit amüsiertem Lächeln. »Du bist auch größer geworden.«
Paxton wurde ungeduldig: »Gut, das reicht jetzt, Faulkner, wir regeln das gleich, okay? Geh lieber und wärm dich mit dem kleinen Moret ein bisschen auf. Du wirst es brauchen können.« »Ja, natürlich, ich störe wohl . . .«
Widerstrebend trat er den Rückzug an. Ihm war klar, dass er sich wieder einmal wie ein Idiot aufgeführt hatte! Alicia starrte ihm immer noch hinterher, und Paxton grinste hämisch, nach dem Motto »Verschwinde, du armseliges Würstchen, du hast einfach nicht das richtige Format! Alicia gehört mir!«.
Natürlich konnte jetzt keine Rede mehr davon sein, dass Sam sich von dem da besiegen lassen würde . . .
19.
Hansoku-Make
Die letzten Begegnungen vor dem Finale fanden auf der Matte In der Mitte der Halle statt. Die Jüngeren hatten ihre Viertelfinalkämpfe beendet, jetzt waren die 14- bis 16-Jährigen an der Reihe. Sam hatte, von stummer Wut getrieben, einige Aufwärmübungen mit Pete gemacht. Von Zeit zu Zeit warf er einen Blick hinüber zu Alicia, aber die drehte ihm den Rücken zu. Dabei sollte sie doch herschauen . . .
»Samueeeel Faulkneer!«
Das Publikum applaudierte, er trat an die Matte und verbeugte sich vor seinem Gegner.
»Hajime!«
Der Kampf begann mit aller Härte. Samuel und Jerry lieferten sich ein wahres Handgemenge, um den judogi des anderen zu fassen. Sam war wild entschlossen, keinen Zentimeter preiszugeben: Er hatte nicht vor sechs Jahrhunderten der Urahnin von Alicia Todds geholfen, den Vogt loszuwerden, um sich jetzt vor den Augen ihrer Nachfahrin lächerlich zu machen! Paxton versuchte mehrmals, sein Gewicht einzusetzen, um ihm die Beine wegzufegen, doch Sam hielt seinen Attacken stand. Er zählte auf die Arroganz und die Selbstüberschätzung seines Gegners: Jerry schien sich unglaublich sicher zu fühlen! Das Problem war nur, dass dieser gut fünf bis sechs Zentimeter größer war und Sam daher versuchen musste, ihn so lange wie möglich auf Abstand zu halten. Er führte also zwei oder drei halbherzige Attacken, nicht um Punkte zu machen, sondern um nicht wegen mangelnden Kampfeinsatzes disqualifiziert zu werden. In der dritten Minute, als Sam gerade eine allmähliche Ermüdung verspürte, vernachlässigte Jerry seine Deckung: Er verließ sich auf seine körperliche Überlegenheit, ließ Sams Revers los und packte ihn am Kragen, um ihn nach hinten zu ziehen und ihn aus dem Gleichgewicht zu bringen. Doch schaffte er weder das eine noch das andere: Blitzschnell bog Sam seine Schulter unter Paxtons Arm, ging
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