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Die Sternenkrone

Die Sternenkrone

Titel: Die Sternenkrone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Jr. Tiptree
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unheilverkündenden Unterton. Alle, die sich auf dem roten Teppich befanden, gingen währenddessen immer noch langsam auf die Ehrentribüne des Präsidenten zu.
    Jede telepathische Rasse ist sich der entsetzlichen Gefahr einer ausbrechenden Panik bewußt, der Bedrohung durch einen Gedankensturm. Als deshalb die Angli innerhalb und außerhalb des Schiffes merkten, was sich abspielte und daß es zu eskalieren drohte, reagierten sie spontan.
    In vollkommenem Einklang hielten sie inne, wo immer sie sich gerade befanden, und schickten gemeinsam den überwältigenden telepathischen Befehl: »Ruhe! Beruhigt Euch! Schlaft... RUHE! BERUHIGT EUCH! SCHLAFT!!!«
    Dieser Befehl war so mächtig, daß den Zuschauern ihre Rufe und Schreie schon bei der ersten Wiederholung in der Kehle erstarben. Der Tumult wandelte zu einer merkwürdigen Stille, in die hinein die Kapelle noch ein paar langgezogene Takte spielte, bis auch sie überwältigt verstummte. Menschen verlangsamten ihren Schritt, blieben stehen. Die Köpfe sanken herab, der Erdboden winkte ihnen einladend gemütlich zu, gerade richtig zum Ausruhen. Und plötzlich, im selben Augenblick, als der Befehl verklang, hatte sich der eben noch außer Kontrolle geratene Mob in eine Herde friedlicher Schläfer verwandelt. Manche schliefen mit dem Kopf auf den Knien, andere lang ausgestreckt, die Köpfe auf irgendeinem benachbarten Körper.
    Die Polizisten und die Sicherheitsbeamten blieben natürlich auch nicht verschont. Nach ein paar Sekunden tapferen Widerstands brachen sie über ihren schlafenden Schützlingen zusammen.
    Kapelle und Lautsprecher schwiegen. Auf der Ehrentribüne hatten die Würdenträgern gerade noch soviel Zeit, sich nach einem bequemen Stuhl umzuschauen, bevor der Schlaf sie übermannte. Der Präsident schlief bereits. Aus seinem geöffneten Mund drangen Schnarchlaute, die auf einsetzenden Tiefschlaf hindeuteten. Seine Gattin ruhte in züchtiger Haltung neben ihm. Eine verirrte Möwe landete auf dem Außenminister und schlief dort auf einem Bein stehend ein.
    Dicht über der Menge, dort, wo der Mittelpunkt des Tumults gewesen war, schwebte Urizel, die Frau, die er gerettet hatte, fest im Griff. Er erblickte den stehengebliebenen Krankenwagen, der Bilder medizinischer Hilfe ausstrahlte.
    »Wacht auf!« sagte Urizel zu den Sanitätern. »Mensch verletzt.« Die Sanitäter erwachten blitzartig, rieben sich die Augen und sprangen auf, um eine Liege zu ergreifen.
    »Legt sie darauf.«
    Ein Pressefotograf neben ihnen erwachte gleichzeitig. Reflexartig ergriff er seine Kamera und schoß das Bild seines Lebens – Urizel, hinabgebeugt, das bewußtlose Mädchen fotogen auf den Fangarmen, sein großes Auge überquellend vor Mitgefühl und Besorgnis. »AUSSERIRDISCHER RETTET MÄDCHEN AUS TUMULT! AUSSERIRDISCHER TRÄGT GERETTETES MÄDCHEN ZUM KRANKEN-WAGEN!«
    (Später fand ich durch Kevin, der auch in der Nähe gewesen und zuerst aufgewacht war, heraus, daß der Fotograf ein noch viel sensationelleres Bild glücklicherweise verpaßt hatte. Als Urizel merkte, daß die Person, die er trug, sich irgendwie von den Astronauten unterschied, hatte er die Gelegenheit genutzt, um Sitz und Beschaffenheit der >Beulen< zu erforschen, von denen Todd erzählt hatte, wobei er ihre Kleidung ziemlich in Unordnung brachte.)
    Die Frau hieß Mrs. C. P. Boynton. Sie hatte nur ein paar Kratzer davongetragen. Der Presse gegenüber äußerte sie sich enthusiatisch.
    »Ich hatte solche Angst. Ich wußte, daß Hunderte von Menschen gleich über mich hinwegtrampeln und mich tottreten würden. Ich betete gerade: >Hilf mir, lieber Gott!<, als plötzlich dieses große blaue fliegende Wesen wie ein Engel über mir erschien, nach mir griff und mich unter alle diesen fürchterlichen Füßen hervorzog! Und es roch so gut!«
    Damit will ich sagen, daß die Angli vom allerersten Tag an eine wirklich ausgezeichnete Presse hatten.
    An der Ehrentribüne kam die offizielle Begrüßung durch den Präsidenten endlich in Gang. Mit den taktvoll gemurmelten Worten: »Herr Präsident, ich glaube, Sie wollten gerade etwas sagen«, brachte Perry den mächtigen Mann dazu, sich zu erheben und seine Rede abzuspulen – gerade noch rechtzeitig, um die bejahrten Ratsmitglieder von der Rückkehr zu ihrem Schiff abzuhalten. Die Kapelle setzte wieder ein. Sie spielte ziemlich falsch, aber es stimmt nicht, daß sie damals oder überhaupt jemals >Näher, mein Gott, zu Dir< gespielt hätte. Der offizielle Empfang nahm seinen

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