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Die Sternenkrone

Die Sternenkrone

Titel: Die Sternenkrone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Jr. Tiptree
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mehr, und sie treten hinaus in den hellen, freundlichen Sommertag.
    Während der Heimfahrt ist Di immer noch sehr bedrückt. Er schreibt ihre düstere Stimmung dem eben Erlebten zu. Und das ist auch teilweise der Grund. Aber nur teilweise; was sie in Wahrheit wurmt, ist die strahlende, exklusive Welt, die sie einen Moment lang auf der goldenen Treppe erspäht hat, die Welt, von der sie für immer ausgeschlossen ist – die Welt, die ihr kurze Zeit offenstand, das Leben, an dem sie nur knapp vorbeigegangen ist. Warum fehlte ihr der Mut, die unsichtbare Barriere zu überschreiten, hinaufzugehen und ein paar Worte mit Wally zu wechseln? Er hätte sie zunächst sicherlich mit einem Lächeln begrüßt und ein paar freundliche Worte mit ihr gewechselt. Zunächst – solange keine Klarheit über ihre beklagenswerte Situation herrschte. Danach wäre der Rückzug gekommen, kaum merklich und beileibe nicht unhöflich, nein – aber keine Aufforderung zum Bleiben, kein Gespräch, das über Floskeln hinausging. Die Stille, wenn sich eine Tür geschlossen hatte. Die unausgesprochene Hoffnung, daß sie nicht lästig oder aufdringlich wurde. Daß sie die Freundschaft von einst nicht strapazierte, da es keine gemeinsame Basis mehr gab. Diese Basis war mit den Millionen ihres Vaters verschwunden. Man hoffte für sie, daß sie ihr Glück gefunden hatte – auf einer anderen Ebene des Lebens. Ein kleineres Glück – mit einigermaßen gelungenen Kopien von Modellkleidern, mit einfachen Freuden wie der Rückgabe einer seltenen Schlange (igitt!) an den Zoo oder der Zuneigung zu einemschwarzen Kater ohne besondere Herkunft und Rasse. Mit einfachen Problemen, ganz anders geartet als die schwerwiegende Überlegung, ob es nicht doch eine Spur zu – du weißt schon was – ist, diese Skizze von El Greco ins Gästeklo zu hängen. Oder ob es mit dem Lachsfang in Norwegen abwärts geht. Wo vor allem die Frage, ob man sich eine Sache leisten kann, einfach nicht existiert ...
    Geld, das macht den Unterschied. Wenn ihr Vater von der Wirtschaftskrise profitiert hätte, dann würde sie auf dieser goldenen Treppe stehen, würde man sie mit echter Herzlichkeit begrüßen. Dann müßte sie nicht mit einem Dreirad zu ihrem Reihenhaus strampeln, begleitet von einem Mann, dessen Akne noch nicht ganz abgeheilt ist und von dem die Mädchen früher nichts wissen wollten. Dann müßte sie sich nicht den Kopf darüber zerbrechen, ob sie die Kissen ihres Katalog-Sofas noch waschen sollte – für eine Party mit lauter netten, unscheinbaren Niemands. Aber der Stachel sitzt tiefer. Die Sofakissen sind im Grunde sehr geschmackvoll, und ihr geht es nicht wirklich darum, Patagonien im Ballon zu überqueren oder einen Logenplatz im Theater von Louisville zu besitzen. Was sie bis ins Mark schmerzt, ist das Gefühl – nein, nicht das Gefühl, sondern das absolute Wissen –, ausgeschlossen zu sein. Daß es Leute gibt, die sie nie kennenlernen kann, mit denen sie nie Freundschaft schließen wird; daß es Orte gibt, zu denen sie keinen Zutritt hat. Ausgeschlossen. Verdammt zu Kopien und zweiter Wahl. Nicht als vollwertig betrachtet. Nicht akzeptiert von Leuten, die absolut keine Spur besser sind als sie selbst. Draußen zu stehen, absolut, unerbittlich, für immer. Das ist das eigentlich Schlimme.
    Und das ist ihre Zukunft. Ihr eines und einziges Leben. Ein unerträglicher Gedanke.
    Oder – halt – ist es das wirklich? Noch ist sie nicht Mrs. Don Pascal. In ein paar Tagen wird sie zurückkehren und wieder sie selbst sein, Diane Fortnum, die College-Queen, die sich auf ihren Abschlußball vorbereitet. Die häßliche Zukunft ist noch nicht besiegelt, ist nicht absolut – sie könnte eine von unzähligen Zukunftsmöglichkeiten sein. Vielleicht ist sie sogar wahrscheinlich, wenn jedes winzige Detail genau so abläuft, wie es momentan vorgezeichnet ist. Aber sie kann das ändern. Sie kann, sie muß etwas unternehmen, um dieses erbärmliche Szenario nicht nur weniger wahrscheinlich, sondern völlig unmöglich zu machen. Sie ist so in Gedanken vertieft, daß sie fast an ihrem Haus vorbeifährt.
    Dennoch macht ihr die Party an diesem Abend großen Spaß. Und die elenden >Niemands< erweisen sich als sehr angenehme, liebenswerte Menschen mit erstaunlichen Lebensgeschichten. Und was am schlimmsten ist – nachdem alle gegangen sind und Henry in der Küche die Reste des Lammkotellets verspeist, lümmelt sie friedlich neben Don auf dem Sofa, und das Haus wirkt mit einemmal

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