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Die Sternenkrone

Die Sternenkrone

Titel: Die Sternenkrone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Jr. Tiptree
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lange ihre Stimmen noch die Perfektion der jungen Jahre besitzen.«
    »Ach, du liebe Güte – ob die Leute in fünfzig Jahren überhaupt noch auf Opern stehen?«
    Alle lachen, aber Don und Di haben das Gefühl, daß ein Schatten über die fröhliche Versammlung fällt ... In fünfzig Jahren – wer weiß?
    »He, sieh mal, Di – da drüben kommt dein Kleid!«
    Eine Frau, die sich als Clara vorgestellt hat, deutet zu einer vergoldeten Treppe, die zu den Logen hinaufführt. Eine Frau schreitet nach unten, bleibt einen Moment lang auf der untersten Stufe stehen und dreht sich nach ihrem Begleiter um. So hat Di die Möglichkeit, sie einen Moment lang näher zu betrachten. Sie trägt tatsächlich ein Kleid, das oberflächlich wie ihr eigenes aussieht – ein schimmerndes Blau, das in weichen Falten bis zum Boden fließt.
    Aber Di kann deutlich erkennen, daß es nicht das gleiche ist – der Stoff hat einen kühnen Schnitt, der die Figur prachtvoll zur Geltung bringt, und der Schimmer entsteht nicht durch Pailletten, sondern durch eine raffinierte Perlstickerei. Das Gewebe selbst wirkt glatt und glänzend. Ein Modell der Haute Couture, daran besteht kein Zweifel – während ihr eigenes Fähnchen eindeutig von der Stange kommt.
    »Siehst du?« sagt Clara triumphierend. »Ich sagte dir doch, daß es ein günstiger Kauf war. Gut genug für Enklave 19!«
    »J-ja.« Zorn steigt in Di auf und schnürt ihr die Kehle zu. Sie würde sich am liebsten die billige Imitation vom Leib reißen und die Flucht ergreifen. Denn sie kennt die Frau, die dieses Kleid trägt. Anjenem letzten schrecklichen Abend im Miro's hat ihr Bill Armitage das Mädchen vorgestellt. Sie war schon damals ein plumpes, sommersprossiges, farbloses Ding gewesen, und ihr älteres Ich hat sich kaum verändert. Allerdings gibt es einen Unterschied: Der Vater dieses Mädchens hatte von dem großen Börsenkrach profitiert und seiner Tochter Millionen für jede Sommersprosse hinterlassen. Bill hatte ihr auch das erzählt.
    Der Mann, mit dem sie schäkert, ist Wally Blair. In panischer Angst, daß sie noch Schlimmeres sehen könnte, dreht Di ihr den Rücken zu und versteckt sich hinter Fred. In diesem Moment schrillt die Pausenglocke. Man leert hastig die Sorbets und kehrt auf die Plätze zurück. »Vergeßt nicht – Donnerstag um sechs!« ruft Linda ihnen nach. »Alles klar – ich werde Henry eine Schleife umbinden!« sagt Don lachend.
    Die herrlichen Arien und das Ballett-Finale heben Dianes Stimmung wieder. Aber als sie in die Sommernacht hinaustreten, entdecken sie, daß Bus 47 durch einen blitzenden, modernen und sehr viel größeren Bus blockiert wird. Er trägt die Aufschrift >19 – Watergate<. Ein Blick ins Innere verrät Di, daß die Sitze aus vornehmen Polstergarnituren bestehen.
    Di nimmt Dons Arm und schiebt ihn rasch weiter – aber zu ihrer Verblüffung macht er sich los und reicht sie an Fred weiter: »Entschuldige, Liebes, ich habe eben etwas entdeckt!« Er rennt zurück, schiebt sich durch die Menge vor Bus 19 und hat mit zwei langen Schritten die Stufen erklommen.
    »Heben Sie die Füße!« herrscht er den prächtig uniformierten Fahrer an. »Füße heben, habe ich gesagt, Mann – rasch! Unter Ihrem Sitz ist eine Schlange. Aus dem Weg bitte!«
    Nach dieser Warnung hebt der Fahrer nicht nur die Füße, sondern springt entsetzt auf den Sitz und starrt ängstlich in die Tiefe. »Eine Schlange, eine Schlange!« kreischen die Passagiere und drängeln zugleich nach vorn und nach hinten.
    »So ist es gut – machen Sie Platz! Erschrecken Sie das Tier nicht!« Und Don taucht zu den Pedalen und Schalthebeln hinunter. Die Passagiere weichen immer weiter zurück.
    Als Don wieder auftaucht, hält er eine schwarzorangefarbene Schlange in die Höhe. Er hat sie dicht hinter dem Kopf im Genick gefaßt. Sie spreizt die Fänge, züngelt und wickelt ihren Leib halb um seinen Arm.
    »Hat jemand eine Tasche übrig?« fragt Don die Umstehenden. Niemand antwortet; alle sind damit beschäftigt, sich aus seiner Reichweite zu entfernen. Don schüttelt den Kopf und streichelt die Schlange mit der freien Hand, um sie zu beruhigen. Dann klettert er aus dem Bus und kehrt mit seiner Beute zum 47er zurück.
    »Mit diesem Ding steigst du hier nicht ein!« sagt Linda energisch und versperrt ihm den Weg.
    »Aber ich muß sie mitnehmen! Habt ihr die Flugblätter nicht gelesen? Sie wird seit Montag im Zoo vermißt. Sobald ich dort anrufe, kommt jemand und holt sie ab.«
    »Was ist das

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