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Die Sternenkrone

Die Sternenkrone

Titel: Die Sternenkrone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Jr. Tiptree
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Hingabe gewagter. O mein Geliebter, wo bist du? flehte ihr Körper, während er IHN überall spürte – ringsum, unter ihr, nur nicht da, so sie SEINER am meisten bedurfte. Bist du ER? Bist das endlich DU? Fragte ihre Seele laut aufschreiend alle möglichen Bauerntölpel, die ihr Glück gar nicht fassen konnten. Gegen Ende dieser Phase umfaßten ihre Experimente unter anderem einen widerstrebenden Flötisten mit einem verkrüppelten Fuß und ein kleines Shetlandpferd. Außerdem gab es eine kräftezehrende Episode mit einem Merino-Schafbock.
    Diese Extreme (so erkannte sie später) deuteten das Ende dieser Phase an. Ihre mädchenhafte Larve entwickelte sich zur Reife, sie war bereit für den nächsten Schritt.
    Doch zunächst folgte ein Zwischenspiel. Es begann mit einer Tragödie: Ihre schöne Mutter saß in einem Aeronautik-Jet, der nach dem Start gleich gegen die Felsen des Popocatepetl prallte. Bei der Beerdigung bekam sie einen großen Schreck, als sie die Trauer ihres Vaters sah. Auch ihre Onkel machten den Eindruck, gealtert zu sein. Sie kehrte betrübt in ihr Apartment außerhalb des Campus in Bronxville zurück und spürte, daß sie die Grippe bekam.
    Während sie ein Medikamentenfläschchen öffnete, fiel ihr der abwegige Glaube ihrer Mutter ein, daß die Erde ein lebloser Felsklumpen sei, und sie mußte erneut weinen. Bruchstücke des organisierten Klatsches, den sie im Fach Psychologie erfahren hatte, schwebten ihr durch den Sinn. Plötzlich erstarrte sie. Die Pillen ergossen sich über den Boden.
    Und wenn ihre Mutter nun recht hatte?
    P.'s Mund klaffte auf, und ein entsetztes Japsen entrang sich ihm. Ihr ganzes Leben lang hatte sie geglaubt, hatte ohne Fragen dieses Überwesen geliebt: IHN. Erde. Zum erstenmal wurde sie von Zweifeln befallen. War es möglich, daß sie irrsinnig war? Traf ein Ausdruck wie >projektive Selbsttäuschung< auf sie zu?
    Betäubt sank sie auf die Liege; ihr fiel wieder ein, daß ihr dicker Onkel stets erklärt hatte, die Erde sei tote Materie, die verschiedenen Gesetzen der Bewegung und der Trägheit gehorchte. Damals hatte sie leichtsinnig darüber gelächelt. Jetzt durchzuckte sie die Erkenntnis einer furchtbaren Möglichkeit. Sollten die Grundfesten ihres Lebens auf einem Irrtum beruhen? War die Erde tatsächlich nichts anderes als toter Stein, auf den sie, ein biologischer Winzling, ihre Halluzinationen projizierte?
    Die ganze Nacht rang sie weinend mit einem Alptraum und schluckte Penicillin, als ihr Fieber stieg. Mit jedem Niesen erschien ihr die trostlose Vorstellung wahrscheinlicher. Der Erdball – ihr Geliebter? Bestimmt war sie geisteskrank. Wie konnte sie nur so töricht sein?
    Als der nächste Morgen anbrach, war sie überzeugt, daß es ihre Pflicht war, die Realitätsstruktur ihres Lebens zu zerstören, auch wenn es sie umbringen würde. Der Erdball lebt nicht, redete sie sich düsteren Gemüts ein, während ihr Kopf in einem Inhaliergerät steckte. Er existiert nicht. In antibiotischem Halbschlaf dahindämmernd, wiederholte sie immer wieder: Der Erdball lebt nicht. Ich darf das alles nicht mehr glauben.
    Während sie eine zweite Packung Kleenex öffnete, stellte sie fest, daß ihr die Abkehr von ihrer Überzeugung nicht mehr so schwerfiel, ja, ihr tatsächlich fast Spaß machte. Der Erdball lebt nicht, schneuzte sie und wurde sich gleichzeitig eines kräftigen ICH BIN bewußt, das in ihrem tiefsten Innern schlummerte und selbst in der geräuschvollen Welt der Menschen wahrnehmbar war. Der Erdball lebt nicht. Welch eigensinniger Scherz, IHN so falsch einzuschätzen! Der ERD-BALL lebt nicht – es war wie damals in jener Woche, als sie versucht hatte, an den in Berkeley verbreiteten Solipsismus zu glauben, indem sie ihre Schranktür aufgerissen hatte, um ihr eigenes Ur-Wesen beim Vorgang des Wiedererscheinens zu erwischen. Der Erdball ...
    Als sie die letzte Breitspektrum-Kapsel geschluckt hatte, behauptete diese neue Idee ihren Platz zwischen verschiedenen anderen Kuriosa, wie zum Beispiel der Doktrin bezüglich der Vollkommenheit der Jungfräulichkeit, über die einer ihrer Liebhaber, ein Jesuit, versucht hatte, sie zu belehren. Bei der ersten Tasse Hühnerbrühe waren all ihre Zweifel für immer verflogen. Sie erhob sich von ihrer Liege mit dem Gefühl, zutiefst erfrischt zu sein, und wenn sie später an dieses Wochenende dachte, war es für sie die Zeit, in der sie sich gründlich um alternative Gesichtspunkte bemühte und diese leicht zugänglich gefunden

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