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Die Sternenkrone

Die Sternenkrone

Titel: Die Sternenkrone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Jr. Tiptree
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hatte.
    Diese Erfahrung hatte sie verändert. Als sich herausstellte, daß sich unter den Juwelenklunkern ihrer Mutter mehrere hundert Karat an Smaragden mit Cabochon-Schliff befanden, begriff P.: ER versorgte sie. Tatsächlich hatte ER sich die ganze Zeit über um sie gekümmert. All diese bedauernswerten Todesfälle – sie erkannte jetzt, wie sonderbar sie waren. Mysteriöse Unfälle, Naturkatastrophen. SEIN Werk. Wie grauenvoll! Sie erbebte. (Doch wie umsichtig von IHM!) Zum erstenmal wurde ihr die wahrhafte Großartigkeit SEINES Wesens bewußt, verglichen mit ihr selbst. Wie abartig der Gedanke gewesen war, sich einzubilden, daß das überlegene männliche Prinzip sich in einem plumpen menschlichen Körper ausdrücken könnte! Ganz zu schweigen von einem Merino-Schafbock – sie wand sich, und heiße Röte überzog ihre Wangen, was dazu führte, daß der Juniorpartner des Notariats, das sie gerade betrat, den Gedankenfaden verlor.
    P. ging weiter in das Büro des Seniorpartners, der sie bestellt hatte, um ihr ein neues Testament vorzulegen. Sie begrüßte ihn geistesabwesend und setzte sich ans Fenster, während ihre Gedanken weiter abschweiften. Ich bin jetzt neunzehn: Ich bin eine Frau, sagte sie zu sich selbst. Kein kleines Mädchen mehr. Die Vorstellung war aufregend für sie. Die Liebe einer Frau war anders. Mädchen trieben es einfach mit Jungen, während Frauen ... Sie wußte nicht genau, was Frauen taten, jedenfalls war es etwas Weiterund Tiefergehendes. Sie blickte hinaus über das verseuchte graue Wasser des Michigan-Sees, während der Notar etwas daherschwafelte über irgendeinen öden Landstrich in Montana, wo ein unbekannter Vetter verunglückt war. Ein Verdacht stieg in ihr auf.
    Es könnte sein, daß ER bis jetzt nur mit ihr gespielt hatte! Sie mit kleinen Kniffen und Stupsern wie ein Baby geneckt hatte! Sie errötete erneut, als ihr klar wurde, wie albern ihre Einbildung, daß es sich um Liebe handelte, gewesen war. Nun, jetzt war sie erwachsen! Doch wie konnte sie es IHM zeigen? Wie konnte sie erreichen, daß ER sie ernst nahm?
    Ihr Blick fiel auf eine Broschüre der Umweltorganisation Sierra Club, dann schweifte er weiter zu dem Smog und dem toten Gewässer draußen – und sie hatte eine Eingebung.
    P. wußte natürlich um die schreckliche Zerstörung, die die Natur durch Menschenhand erfuhr. Pflichtschuldigst hatte sie alles gelesen, was über vergewaltigte Wälder, abgeschlachtete Tiere, geplünderte Berge, verseuchte Meere und verpestete Luft geschrieben worden war. Doch für sie – bei ihrer inzwischen sehr außergewöhnlichen steuerlichen Einstufung – waren all das abstrakte Vergehen. Weil sie nichts davon sah; ihr Geld trug sie in die abgelegenen, unverdorbenen Enklaven der Reichen. Was ihren eigenen geheiligten Wald anging, so hatte ihr Vater längst die Holzfirma gekauft, die den angrenzenden Northlands-Park gerodet hatte.
    Jetzt erkannte P, daß sie blind gewesen war.
    Während sie sich verliebt gebärdet hatte, wurde SEIN Körper vergiftet, verseucht, zerstört. ER war in Gefahr, litt vielleicht, und sie hatte es nicht begriffen. Wie schrecklich kindisch von ihr, wie gefühllos! Was sollte sie tun?
    Sie wandte sich dem älteren Notar zu und sah – wie ein Leuchten über seinem Kopf – die Antwort. Ihre Pflicht – ihre Aufgabe als treusorgende Frau – war es, die Zerstörung zu beenden. Sie würde den Erdball retten!
    »Ja!« hauchte sie hörbar. Der Notar blickte verdutzt auf. »Ich bin noch nicht am Ende.«
    P. seufzte und schaute wieder auf den See hinaus. Mit einem mal nahm sie entzückt wahr, daß sich über dem bleiernen Wasser ein Regenbogen bildete. ER hatte sie gehört, ER stimmte ihr zu. Wie herrlich!
    Geduldig wartete sie, während der Notar eine unverständliche Liste von Vermögensanteilen und Aktien herunterleierte, die er für sie verwaltete. Sie hörte nur so weit zu, um sich zu vergewissern, daß in der Tat eine große Menge Geld vorhanden war; Hunderte von Millionen, so hatte es den Anschein. Gut! Als er fertig war, wandte sie sich mit einem Blick voll großer Schönheit und leidenschaftlicher Begeisterung zu ihm um.
    »Mr. Finch, ich möchte das ganze Geld dazu benutzen, die Erde vor der Umweltzerstörung zu retten. Ich möchte gleich damit anfangen, in dieser Minute. Kennen Sie jemanden, der über all diese Organisationen« – sie tippte mit dem Finger auf die Broschüre des Sierra Clubs – »Bescheid weiß? Welcher sollte man am besten Geld

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