Die Stille in Prag - Rudis, J: Stille in Prag - Potichu
löscht. Oder ’ne neue anmacht. Aber wir wären zusammen, für immer und ewig vereint.«
»Ich will aber nicht tot mit dir zusammen sein.«
»Bist du auch nicht.«
»Sag Bescheid, wenn es so weit ist.«
»Ja.«
»Vergiss das nicht.«
Er küsste ihren Hals. Seine Finger fuhren streichelnd um ihre Brüste herum. Sie glitten tiefer. Sie ließ es zu. Das erregte ihn. Sie auch. Er konnte nicht aufhören, an ihr zu riechen.
»Du riechst irre.«
»Irre?«
»Irre gut.«
»Und weiter?«
»Irgendwie salzig.«
»Das ist Schweiß.«
»Ich rieche das Meer an dir.«
»Ein Meer aus Schweiß.«
»Mein Meer.«
Sie hielten an einem Rastplatz an. Ließen Malmö raus. Klappten die Sitze nach hinten und drehten die Musik lauter.
Später fuhren sie weiter.
Wie viele Stunden Klára und er miteinander geredet haben, das weiß Petr nicht mehr, sechzigtausend waren es bestimmt nicht. Womöglich nicht einmal fünfzigtausend. Es hätten aber gut an die dreißigtausend Stunden sein können. Sie haben über alles und über nichts geredet. Er erzählte von seiner Plattenbaukindheit, direkt an der Busendhaltestelle. Jeden Morgen genau um fünf Uhr null null wurde er von einem Bus geweckt. Es waren lange Jahre im Plattenbau, hinter dem pausenlos die Autobahn nach Brünn rauschte. Nicht einmal nach zwanzig Jahren hat er sich daran gewöhnt, bis zum Schluss brauchte er Ohrstöpsel zum Schlafen. Der Plattenbau war riesig, er hatte mehrere Eingänge, in denen handgeschriebene und sorgfältig aufgestellte Putzpläne hingen. Als kleiner Knirps hat er sie oft gemeinsam mit seinen Kumpels gegen die Aufstellungen der anderen Hauseingänge vertauscht. Seine Eltern wohnen bis heute dort. Wenn Petr einmal im Monat zum sonntäglichen Mittagessen einkehrt, ist er froh, sich gleich nach dem Nachtisch wieder unter den Fernsehturm nach Žižkov verziehen zu können. Noch mehr aber freut ihn, nicht mehr lügen zu müssen, sein Studium lediglich vorübergehend unterbrochen zu haben.
Damals erzählte er Klára, dass seine Eltern ihn am liebsten zu Hause behalten hätten. Für immer. Vermutlich weil er ein Einzelkind war.
Sie saßen im Auto, rauchten, schlängelten sich zwischen Lastwagen durch, bestellten sich kleine starke Kaffees auf Tankstellen, hörten Musik, spielten mit Malmö, plauderten und kamen sich immer näher, bis sie ineinanderflossen wie Autobahnstreifen ganz weit vorne am Horizont.
Malmö.
Den Hund hat Klára vom Schweden geschenkt bekommen.
Petr kannte ihn nicht, wusste aber, dass er kein Schwede war, sondern irgendwo in Vinohrady lebte, Schriftsteller werden wollte, es aber nicht weiter gebracht hatte als bis zur Werbung für Joghurts, Kaugummis und Windeln für Kinder und alte Leute. Er war mit Klára zusammen gewesen. Sie hatten zusammengelebt. Dann zerbrach ihre Beziehung, weil der Schwede auf den schwedischen Dreier stand. Bloß ohne Klára.
Seinetwegen hatte sie sich die Haare abrasiert. Kurz bevor Petr und sie sich im Akropolis-Club begegnet waren.
»Ein ziemlicher Idiot.«
»Mag sein.«
»Mag sein?«
»Ich weiß es nicht.«
»Wie: du weißt es nicht?«
»Vielleicht hab ich einen Fehler gemacht. Weil ich ihn ständig bedrängt hab, ständig mit ihm zusammen sein wollte. Immer. Überall. Ununterbrochen. Weil ich Kinder mit ihm haben wollte. Liebe bis über den Tod hinaus. Vielleicht hat er mir deswegen aus dem Weg gehen müssen. Und sich jemand anders gesucht. Mit der hat er dann geschlafen und mit mir nicht mehr. Und dann reichte ihm eine Frau nicht und er brauchte zwei. Ist jetzt vorbei. Du hast recht, er war ein Idiot. Ein Arschloch. Er kann mich mal.«
»Das ist gut.«
»Mir bleibt keine andere Wahl.«
»Ich will auch für immer bei dir bleiben.«
»Ich weiß.«
»Gut, dass du das weißt.«
»Das macht mir aber Angst.«
»Angst?«
»Ja, Angst. Genau in diesem Moment, dreiunddreißig Kilometer von Paris entfernt, genau in diesem Moment macht es mir Angst.«
Sie zeigte auf das Verkehrsschild, an dem sie vorbeirasten.
»Wenn es dir nur in dieser Sekunde Angst macht, dann spielt es keine Rolle.«
Sie streichelte seine Hand, sah ihn aber nicht an.
»Ein Gewitter zieht auf.«
»Ein ordentliches Gewitter.«
»Ich liebe Gewitter. Als kleines Mädchen hatte ich immer Angst, dass es uns alle wegpustet. Dass der Wind unser Haus ans andere Ende der Welt trägt.«
»Vielleicht passiert es jetzt. Wir fahren in die Wolken hinein und tauchen am Ende der Welt auf.«
»Wie sieht es dort aus?«
»Die
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