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Die Stille in Prag - Rudis, J: Stille in Prag - Potichu

Die Stille in Prag - Rudis, J: Stille in Prag - Potichu

Titel: Die Stille in Prag - Rudis, J: Stille in Prag - Potichu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaroslav Rudis
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werden rund, sie lösen sich auf. Tabletten, die Vladimír seit zwei Jahren verschrieben bekommt. Sie wirbeln in einem Strudel von Wodka. Die langsam sich auflösenden Medikamente gegen Einsamkeit, Schmerz und Schlaflosigkeit spiegeln Vladimírs Leben wider, das sich nun vor seinen Augen auflöst, durch jede Drehung wird es matter und schwindet ins Unwiederbringliche dahin.
    Vladimír rührt mit einem Löffel in der Brühe herum. Es beruhigt ihn. In jedem kleinen weißen Tablettenbrösel sieht er eine Erinnerung aufblitzen, einen sofort wieder verschwindenden Augenblick.
    Es ist nicht aufzuhalten.
    Er hat nicht vor, es aufzuhalten.
    Vladimír sieht hinein in den milchigweißen Strudel in seinem Glas. Er sieht sein Abitur und den Moment, als er seine Frau kennengelernt hat, er sieht sie und sich selbst, wie sie zum ersten und dann zum letzten Mal Liebe machen, er sieht sein erstes Konzert mit der Philharmonie und die Beerdigung seiner Eltern. Dazwischen flimmert eine ganze Reihe gewöhnlicher, längst vergessener Bilder, Farben, Düfte und Gerüche, wie durch einen Zufallsgenerator ausgewählt, erscheinen sie vor ihm auf der Küchenwand. Der Eisladen mit dem lila Eis auf dem Wenzelsplatz zum Beispiel. Die Schlange vor den Buchhandlungen, wenn am Donnerstag neue Bücher geliefert wurden. Der ruckelnde Paternosteraufzug im Rundfunkgebäude, den er nehmen musste, wenn er mit der Philharmonie Aufnahmen fürs Radio machte. Die zerbrochenen Wimpel mit Friedenstauben und Pappteller mit Senfresten, die jeden Frühling nach der 1. Mai-Parade auf der Letná-Höhe auf dem Boden lagen. Auch die echten Tauben, die die Reste von Brot und Würstchen pickten. Die Schlange vor der Telefonzelle, als er seine Frau von einem Kuraufenthalt anrufen wollte. Den Erdbeercocktail im Milchladen auf der Vinohradská, den ihm einmal die Woche seine Mutter spendierte.
    Vladimír sitzt am Küchentisch. Er starrt die abgeschnittenen Kabelreste an, die abgetrennten Teile fremder Leben. Oder war es nur sein Leben gewesen?
    Die Lust, die Welt zu verändern, schwindet dahin. Die Hoffnungslosigkeit, der er sich ausgesetzt fühlt, verströmt auf einmal eine angenehme Ruhe.
    Er rührt weiter sein Getränk um. Schöpft ein wenig von der Flüssigkeit mit dem Löffel ab und steckt seine Zungenspitze hinein. Es schmeckt eklig. Aber das war nicht anders zu erwarten. Die letzten weißen Brösel haben sich aufgelöst, aus dem klaren Wodka ist ein Milchgetränk geworden. Die Wasseroberfläche hält für einen Moment inne.
    Vladimír nimmt den Mülleimer und stellt ihn vor die Wohnungstür. Er spült den Löffel und den Kaffeebecher ab, reibt sie mit dem Geschirrtuch trocken und stellt sie in den Schrank. Das Geschirrtuch legt er über die Heizung.
    Ein letztes Mal geht er durch seine Wohnung.
    Er ist ruhig.
    Im Badezimmer wirft er die restliche Zahnpasta, seine Zahnbürste und seinen Kamm in den Mülleimer unter dem Waschbecken. Er sieht sich kurz im Spiegel an. Ein alter magerer und abgekämpfter Mann. Dass er sich seit einer Woche nicht rasiert und kaum etwas Ordentliches gegessen hat, trägt nur noch mehr zu seinem schlechten Aussehen bei.
    Er öffnet den Kleiderschrank im Flur. Ein kurzes Sommerkleid. Eine lange Abendrobe. Er riecht an ihnen. Durch jeden Atemzug fühlt er noch mehr Ruhe in sich aufsteigen. Gleich ist alles vorbei. Im Wohnzimmer berührt er die Lärmzerstörungsmaschine. Sie ist immer noch an. Ob überhaupt einer herausfindet, wozu er sie konstruiert hat?
    Für eine Weile legt er sich im Schlafzimmer aufs Bett und starrt die weiße Decke an. Damals beim Streichen hat er eine hohe Leiter benutzt, seine Frau hat sie festhalten müssen, damit er nicht herunterfiel. Damals stellte er sich kurz vor, wie er herunterfällt und sie ihn auffängt. Er wünschte sich, sie würden beide auf das mit einer Plastikplane zugedeckte Bett fallen und Liebe machen.
    Vladimír steht wieder auf und macht das Bett. Dann wirft er noch einen Blick in das Zimmer seiner Frau. Vielleicht hört er sie. Oder sieht etwas von ihr. Aber das Zimmer ist leer, nur ihr Pullover hängt über der Stuhllehne. Ein paar Bücher. Ein Wecker. Wie in dem Moment, als es bei ihr so weit war.
    Damals hat es geregnet. Erneut hört er die Regentropfen auf den Fenstersims herunterprasseln, dieses eindringliche Trommeln, das seine Frau aus dem Bett weggelockt hatte, sie herausholte aus der gemeinsamen Wohnung, aus Vladimírs Leben.
    Er steht am Fenster und sieht zum Fernsehturm hinauf, dessen

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