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Die Stille über dem Wasser: Roman (German Edition)

Die Stille über dem Wasser: Roman (German Edition)

Titel: Die Stille über dem Wasser: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clara Salaman
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beruht.«
    Und damit begann er erneut zu pfeifen.
    Den Rest des Vormittags schipperten sie dahin und genossen den Frieden und die Einsamkeit, während das Blau des Himmels immer satter und intensiver wurde. Annie half Clem, die Segeltuchtasche auszuräumen und ihre Sachen mit Wäscheklammern an der Reling entlang aufzuhängen. Der Inhalt war reichlich überschaubar: ein paar T-Shirts, Hosen, zwei Pullis, Clems Gebetsteppich und ihre Schlafsäcke, die langsam zu trocknen begannen. Smudge, die ihnen nicht von der Seite wich, imitierte ihre Handbewegungen. Als sie fertig waren, setzten sie sich mit einer Tasse Tee auf ein paar Handtücher, die sie auf dem Bug ausgebreitet hatten. Johnny sah, wie Clem sich angeregt mit Captain Hook unterhielt, während er und Frank mit Zigarette in der einen und Bechern mit Tee ohne Milch in der anderen im Cockpit saßen und die Küste nach Hinweisen auf Besiedelung absuchten. Je weiter sie sich von der Zivilisation entfernten, umso stärker verspürte Johnny jenes eigentümliche, jedoch durchaus vertraute Gefühl der Isolation; so als drohten sie jede Sekunde über die Kante des Planeten zu fallen.
    Aus dem an zwei Boxen angeschlossenen Kassettenrekorder in der Kajüte drang die Stimme von Cat Stevens, der vom Pech im Leben sang und davon, dass die erste Verletzung immer am meisten wehtat.
    »Du hast also schon einiges an Segelerfahrung, Johnny?«, fragte Frank.
    »Vorwiegend mit Jollen, aber, ja, ich habe schon ein paar Überquerungen gemacht.«
    »Was für Überquerungen?« Frank, der seinen Tee umrührte, hielt mitten in der Bewegung inne.
    »Des Atlantiks.«
    Frank hob eine Braue und nickte sichtlich beeindruckt.
    Johnny drehte sich eine Zigarette. Frank schob ihm das Feuerzeug zu. Eine Weile saßen sie schweigend da, sahen den Frauen zu und ließen gelegentlich den Blick über die Landschaft schweifen. Johnny war nirgendwo glücklicher als auf See. Sobald er einen Fuß auf ein Boot setzte, schien sich etwas in ihm zu verändern, etwas Grundlegendes, irgendwo tief im Innersten seiner Zellen. Seit ihm sein Vater als kleiner Junge – er musste in Smudges Alter gewesen sein – auf der Fireball in Cornwall das Segeln beigebracht hatte, fühlte er sich auf dem Wasser heimischer als an Land.
    Seufzend legte Johnny die Beine auf den Cockpitsitz und streckte sich. Das Leben war schon eine feine Sache, dachte er, und dies war mit Abstand die bequemste Art des Reisens. Sie würden einfach bei der nächsten Möglichkeit von Bord gehen, ein Auto anhalten und dorthin fahren, wo der Fahrer hinwollte, solange es nicht Bodrum war. Er ließ den Blick über den Ozean schweifen, in der Hoffnung, dass bald Wind aufkäme und Frank die Segel setzen würde. Es wäre eine Schande, auf einem Segelboot zu sein, ohne zumindest eine kleine Runde gesegelt zu sein.
    Inzwischen herrschte strahlender Sonnenschein. Johnny beobachtete das kleine Mädchen, das viel zu viel Sonnencreme auf Clems Rücken verteilte, sodass die Träger ihres gelben Bikinis beinahe in der weißen Lotion ertranken. Ihre Mutter machte sich eilig daran, die Schweinerei zu beseitigen, wischte eine Handvoll nach der anderen von Clems Rücken und verteilte die Sonnencreme auf ihrem eigenen Körper. Johnny konnte immer wieder nur staunen, wie entspannt und unverkrampft Frauen mit ihren Körpern umgingen. Die drei sahen aus wie Äffinnen, die sich gegenseitig lausten.
    Er nippte an seinem Tee und sah zu, wie Clem sich auf den Bauch drehte und Annie die Sonnencreme auf der Rückseite ihrer Schenkel und an ihrem Poansatz zu verteilen begann. Augenblicklich spürte er, wie er einen Ständer bekam. Für einen kurzen Moment wandte er den Kopf ab, und als er wieder hinsah, hatte Annie die Flasche weggestellt und zog sich zu seiner Verblüffung das T-Shirt über den Kopf, um die restliche Sonnencreme auf ihren blanken Brüsten zu verteilen. Um ein Haar verschluckte er sich an seinem Tee. Wider Erwarten besaß Annie absolut erstklassige Titten, daran gab es nichts zu rütteln.
    Er starrte sie an, dann zwang er sich, den Blick loszureißen und seine ungeteilte Aufmerksamkeit auf eine Horde großer Seevögel zu richten, die nur wenige Zentimeter über der schiefergrauen Wasseroberfläche durch die Luft zischten und immer wieder in den Fluten abtauchten, um einen Fisch zu ergattern.
    »Sagenhaft, was?«, sagte Frank und hob seine Tasse an die Lippen. »Echte Wahnsinnsdinger.«
    Johnny fuhr herum und starrte Frank erschrocken an. »Die Vögel, meine ich.

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