Die Stille über dem Wasser: Roman (German Edition)
Das sind Tölpel«, fügte Frank mit einem Blick auf Annie hinzu. Dann warf er den Kopf in den Nacken und brach in schallendes Gelächter aus.
Johnny stimmte ein. Frank lachte so herzhaft, dass ihm die Tränen herabliefen.
»Stimmt. Die Burschen sind auch ziemlich klasse«, bestätigte Johnny wahrheitsgetreu, fragte sich jedoch flüchtig, ob er vielleicht zu weit gegangen war. Worüber Frank sich auch immer ausschütten mochte – sein Gelächter war so laut, dass Annie und Clem herübersahen und sich offenbar fragten, was so lustig war.
Den ganzen Nachmittag schipperten sie über die nahezu windstille See, ohne einen einzigen Hinweis auf Zivilisation zu entdecken. Irgendwann ging Johnny unter Deck, um abermals einen Blick auf die Karte zu werfen. In der Mitte der Bucht musste es eine Ortschaft geben, die jedoch so weit im Landesinneren lag, dass sie sie nicht würden erreichen können. Er kehrte mit dem Fernglas an Deck zurück und ließ den Blick über die hügelige Landschaft schweifen: Meile um Meile endloses Nichts, lediglich die eine oder andere Hütte, karge Sträucher und vereinzelte Ziegenherden. Er richtete das Fernglas ein weiteres Mal auf Annies Titten und justierte es, um den Blick über ihren Körper schweifen zu lassen. Sie war kräftig gebaut und wirkte durchtrainiert und athletisch. Johnnys Blick blieb an einer Reihe kleiner weißer Narben hängen, die auf der Innenseite ihres ausgestreckten Beins verliefen. Er ließ das Fernglas sinken, setzte sich mit dem Rücken gegen die Kabine auf das Deck und döste im warmen Sonnenschein. Bilder von nackten Brüsten und Beinen flammten vor seinem geistigen Auge auf und erloschen wieder.
Nach einer Weile bat Frank ihn, das Ruder zu übernehmen, damit er Smudge für ihr Mittagsschläfchen nach unten bringen konnte. Clem und Johnny setzten sich neben die Ruderpinne und spielten mit Annie Karten. Sie brachte ihnen Five Hundred bei, ein extrem anspruchsvolles Spiel, ähnlich wie Bridge, nur mit noch chaotischeren, komplexeren Regeln. Wieder fielen ihm die winzigen Narben auf, die sich in feinen, weißen Linien über ihre gesamten Oberschenkel zogen.
Am späten Nachmittag kam die lang ersehnte Brise auf, doch Frank schlug vor, dass sie sich eine ruhige Bucht suchten und den Anker warfen. Nun, da sie endlich Wind hatten, hätte Johnny am liebsten die Segel gesetzt – er liebte nächtliche Segeltörns, aber das Boot gehörte nicht ihm. Außerdem hatte er nichts dagegen, noch eine Nacht an Bord zu verbringen. Je weiter sie Bodrum hinter sich ließen, umso besser. Bestimmt fanden sie morgen eine geeignete Stelle, um von Bord zu gehen.
Und so näherte sich die Little Utopia dem Ufer, bis ein passender Ankerplatz gefunden war, während die Sonne allmählich unterging. Sie brauchten nicht allzu lange zu suchen. Im Schutz der Berge, die den Wind abhielten, tuckerten sie dahin. Clem und Johnny standen an Deck, um die Wassertiefe im Auge zu behalten, Captain Hook an ihrer Seite, die sie auf die unter der Wasseroberfläche dahinflitzenden Fische hinwies. Der Untergrund war felsig mit einigen sandigen Stellen, und als Johnny den Anker warf, fand er schnell Halt, ehe sich das Boot mit der Nase in die Brise drehte.
Die unvermittelte Stille, nachdem Frank den Motor abgeschaltet hatte, war herrlich. Johnny hatte völlig vergessen, wie sehr er Motoren hasste. Die Menschen waren über Jahrhunderte ohne sie ausgekommen, trotzdem hielt sie heutzutage jeder für unerlässlich. Vor zwei Jahren hatten Rob, Clem und er ein Boot von Gibraltar nach Falmouth überführt, ohne ein einziges Mal den Motor anzuwerfen – ein mittlerweile so seltenes Phänomen, dass sie beim Einlaufen in den Hafen mit Applaus begrüßt worden waren.
Eine Zeit lang standen sie nur da, still in der plötzlichen, ungewohnten Stille, und genossen den atemberaubenden Anblick, während die Brise die Wellen kräuseln und gegen den Bootsrumpf schlagen ließ und hier und da der Schrei eines Raubvogels ertönte. Sie befanden sich mitten in einem Stück Nichts von einzigartiger Schönheit, und die Sonne hinter ihnen warf lange, schlanke Schatten aufs Wasser und auf die Felsen am Fuß der Hügel.
Sie machten das Deck und die Kajüte sauber; Captain Hook, die vor Kälte bereits eine Gänsehaut am ganzen Körper hatte, bekam einen Wutanfall, weil sie ihre schmutzige Piratenjacke aus- und wärmere Sachen darunterziehen sollte. Johnny gelang es, sie auf andere Gedanken zu bringen, indem er sie mit der wichtigen Mission
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