Die Stille zwischen den Sternen
Jetzt muss ich eine einwandfreie Fernzündung bauen. Ich muss im Gasometer nach dem Ort suchen, an dem die Knallwirkung optimal ist. Ich muss Mischung und Dosis der Sprengladung so hinkriegen, dass niemand gefährdet wird.
Auf dem Rückweg halte ich an einem Drogeriemarkt. Die Frau an der Kasse hat natürlich keinen Schimmer, was man mit den Pülverchen, die ich vor ihr aufs Band lege, alles anfangen kann. Ist auch besser so.
Als ich das Fahrrad zu Hause in die Garage stelle, steht dort schon der Wagen meiner Mutter. Mein Vater scheint noch nicht da zu sein, ich mag nicht daran denken, wo er jetzt sein könnte. Auf Zehenspitzen schleiche ich in meine Werkstatt, ich habe nicht die geringste
Lust, meiner Mutter zu begegnen. Auf der Werkbank lege ich zurecht, was ich brauche, schließe für einen Moment die Augen und beginne mit der Arbeit.
Zwei Tage später ist das Gehäuse der Bombe fertig, die Mischung für die Sprengladung habe ich so lange auf dem Katzenberg getestet, bis ich mit der Wirkung zufrieden war. Jetzt beginnt der kniffligste Teil: der Bau des Empfangsteils für das Funksignal, das ich geben werde. Wenn ich dabei den kleinsten Fehler mache, funktioniert es nicht. Empfangsteile sind noch empfindlicher als alte Uhren. Ich darf mir keine Unaufmerksamkeit leisten.
Ich gehe Schritt für Schritt vor, überprüfe jedes Teil, das ich einbaue. Tue es mehrmals. Und kann doch nicht verhindern, dass mir eine winzige Mutter herunterfällt, genau in eine Ritze des Fußbodens. In meinen Kästen sammle ich die verschiedensten Schrauben, ich werfe nichts weg. Aber ich finde keine andere Mutter dieser Größe.
Auf dem Weg zum Baumarkt muss ich durch die halbe Stadt. In der Eisenwarenhandlung vom alten Habermann bekäme ich sogar eine einzelne Mutter. Nur - der Habermann kennt mich, er könnte sich an mich erinnern. Hinterher. Im Baumarkt ist alles anonym.
Nach einer halben Stunde bin ich zurück. Das Auto meiner Mutter steht vor der Tür. Normalerweise arbeitet sie länger. Ich stelle mein Rad in die Garage und nehme die Durchgangstür zum Keller. Vielleicht hat
mich meine Mutter ja nicht kommen gehört und ich kann bis zum Abendessen in Ruhe weiterarbeiten.
Aber da klappern auf der Kellertreppe Schuhe. Mist.
»Hallo, Jonas«, sagt meine Mutter.
Ich nicke ihr zu.
»Das sieht ja wie eine Bombe aus«, sagt sie und zeigt auf das zylinderförmige Gehäuse, das ich gerade in der Hand halte.
»Mit der willst du bestimmt die Schule in die Luft sprengen«, sagt sie und grinst. Ich grinse mit.
»Mal im Ernst«, sagt sie. »In dem Café, vor ein paar Tagen, du weißt schon, das war ein Kunde. Nicht dass du denkst …«
Schon komisch, dass sie erst heute damit kommt. Sie scheint sich sehr sicher zu fühlen.
Als ich nicht reagiere, fährt sie fort: »Nicht dass du glaubst, ich hätte was mit dem.«
Ich schüttele den Kopf und denke: Du lügst! Du lügst so perfekt, dass ich dir bestimmt glauben würde, wenn ich nicht gesehen hätte, wie du den Kerl angeguckt hast.
»Dann ist es ja gut«, sagt meine Mutter und sieht erleichtert aus. »Übrigens - wo wolltest du an dem Morgen hin?«
Das geht dich nichts an.
»Na, wahrscheinlich in den Baumarkt. Sind deine Schulaufgaben fertig?«
Natürlich nicht.
»Was ist eigentlich mit Kim?«, fragt sie weiter. »Man sieht euch gar nicht mehr zusammen. Habt ihr euch verkracht?«
Weiß nicht.
»Schön«, sagt sie, und mir ist nicht klar, was sie damit meint, wahrscheinlich gar nichts. »Ich fange schon mal an zu kochen.«
Die Arbeit am Empfangsteil für das Funkgerät ist knifflig. Bereits nach wenigen Minuten tun mir die Augen weh. So funktioniert das nicht. Ich muss versuchen, mir eine Uhrmacherlupe zu beschaffen. Sonst werde ich nie fertig.
Ich fahre gleich los. Aber kein Optikergeschäft führt solch ein Ding. Das sei ein seltener Artikel, kriege ich zu hören. Es lohne sich nicht, ihn ins Lager zu legen. »Versuch’s beim Uhrmacher«, heißt es im letzten Geschäft, in dem ich nachfrage. »Vielleicht hast du da Glück.«
Der erste Uhrmacherladen, zu dem ich komme, verschwindet fast zwischen einer großen Jeansboutique und einem Laden für Autozubehör. Als ich eintrete, ertönt ein Glockenspiel. Es riecht nach Bohnerwachs, in den verkratzten Vitrinen liegen gebrauchte Uhren.
Hinter der Theke öffnet sich ein Vorhang, ein dünner grauhaariger Mann schaut in den Verkaufsraum. Aus seinen Ohren wachsen kleine Haarbüschel, in seinem linken Auge klemmt eine Lupe.
»Ja?«,
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