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Die Stille zwischen den Sternen

Die Stille zwischen den Sternen

Titel: Die Stille zwischen den Sternen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Banscherus
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Metallstücke wieder in seiner Tasche verschwinden. »Am besten regeln wir das im Auto. Es muss ja nicht jeder mitbekommen, was wir reden. Keine Angst, ich tue dir nichts.«
    Ich steige ein, steige tatsächlich zu diesem Typen ins Auto. Er hat keine Ahnung, dass ich im Gasometer eine Bombe zünden will. Aber er könnte zur Polizei gehen. Und dann ist es Essig mit meinem Plan.
    Im Auto sieht alles stinknormal aus. Nicht einmal ein Totenkopf hängt unter dem Rückspiegel. Haben solche Typen nicht immer einen Totenkopf im Auto?
    »Ich will kein Geld«, sagt der Mann.
    »Mhm.«
    »Wie bitte?«
    »Mhm.«
    »Also, ich will kein Geld«, wiederholt er, nicht mehr ganz so selbstsicher.
    Es ist erstaunlich, was mein Schweigen mit den Leuten macht.
    »Du sollst mir einen kleinen Gefallen tun«, fährt er
fort. »Nichts Gefährliches, da kannst du ganz beruhigt sein.«
    Wer’s glaubt!
    »Wir arbeiten zusammen«, sagt er, »und ich vergesse, was ich gesehen habe. In Ordnung?«
    Sag schon, was ich tun soll!
    »Kennst du die Diskothek ›Blow up‹?«, fragt er.
    Ich nicke. Es gibt keine andere Diskothek in Schwatten.
    »Gut. Dorthin kommst du übermorgen Abend. Sagen wir um zehn.«
    Um zehn? Ich bin doch nicht verrückt.
    »Zieh ruhig weiter deine Nummer ab, Kleiner«, sagt er. »Wenn du nicht mitspielst, bin ich am nächsten Tag bei der Polizei. Kapiert?«

    Normalerweise ginge ich jetzt zu Kim. Noch vor ein paar Wochen hätte ich das getan. Aber heute lasse ich das lieber.
    Er kennt mich gut, vielleicht zu gut. Du bist verrückt, würde er sagen, du und eine Bombe! Lass den Scheiß, Jonas, würde er sagen. Deine Eltern werden sich schon nicht trennen. Ein kleiner Seitensprung - mein Gott, darüber regst du dich auf, Alter? Das brächte mir nichts. Überhaupt nichts. Ich brauche einen, der mich versteht, der kapiert, warum ich wütend bin. Warum die Bombe sein muss. Ja, und das Schweigen.
    Den Typ mit dem Passat hatte ich nicht auf der Rechnung. Egal was ich für ihn erledigen soll - wenn ich Pech habe, werde ich dabei erwischt. Ich muss den
Zeitpunkt für den großen Knall vorverlegen, mir bleibt keine Wahl.
    Also fahre ich zum Gasometer. Von außen windet sich eine Treppe um den Turm herum bis aufs Dach. Der Zugang zum Personenaufzug ist versperrt. Aber wenigstens gibt es daneben eine massive Stahltür. In den Zaun, den sie rings um den Gasometer gezogen haben, hat jemand eine Öffnung geschnitten. Ich krieche hindurch und reiße mir dabei ein Loch ins T-Shirt.
    Die Tür ist verschlossen, ich habe nichts anderes erwartet. Aus einem Stück Draht, das ich auf dem Gelände finde, biege ich mir einen Dietrich zurecht. Das Tor besitzt kein Sicherheitsschloss, es ist nicht zu fassen. Ein paar Mal biege ich nach, dann greift der primitive Schlüssel. Einen Augenblick später stehe ich im Gasometer.
    Der Anblick ist irre. Ich bin in eine gigantische Höhle geraten, mit gewaltigen Wänden um mich herum. Im Dämmerlicht sehe ich Stahl, nichts als Stahl. Die schmalen Fensteröffnungen im Dach des Gasometers sind nur schwach zu erkennen. Es ist so kühl, dass ich friere.
    Ich stelle mich in die Mitte des Raums. Von hier aus wirkt das Innere des Gasometers noch außerirdischer. Mit aller Kraft pumpe ich Luft in meine Lungen und brülle.
    Die Wirkung haut mich um. Der Klang saust von unten nach oben, wird wie ein Tennisball zwischen den Wänden hin und her geworfen. Er scheint dabei nicht
schwächer zu werden, es dröhnt nur so in meinen Ohren. Es ist unglaublich, einfach fantastisch.
    Ein zweites Mal brülle ich, mit demselben Resultat. Ich habe die perfekte Lärmmaschine gefunden. Morgen werde ich meine Bombe zünden, und die Stille danach wird länger sein, als ich es mir je hätte vorstellen können.

    Am Abend merken meine Eltern endlich, dass ich nicht mehr spreche. Und ich dachte schon, sie kriegen es nie mehr mit.
    »Warum sagst du nichts, Jonas?«, fragt meine Mutter.
    Ich zucke die Schultern. Bitte, jetzt kein Gerede, ich muss wieder in den Keller.
    »Haben wir dir was getan?«, fragt mein Vater.
    Lasst mich in Ruhe!
    »Sag doch was!«, ruft meine Mutter.
    »Der wird schon wieder vernünftig«, versucht mein Vater, sie zu beruhigen. »Jungs in seinem Alter sind manchmal komisch.«
    »Aber ich halte das nicht mehr aus!«, ruft sie und schüttelt mich.
    Mein Vater nimmt ihre Hand von meinem Arm. »Der Junge wird schon wieder vernünftig«, wiederholt er.
    »Sollst mal sehen.«
    In der Schule dauert es einen Tag länger, bis mein

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