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Die Stille zwischen den Sternen

Die Stille zwischen den Sternen

Titel: Die Stille zwischen den Sternen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Banscherus
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sagt er. »Bitte?«
    Ich zeige mit dem Finger auf die Lupe.
    Der Mann versteht, nimmt die Lupe heraus und drückt sie mir in die Hand. »Ich habe noch mehr davon«, sagt er. »Kostet dich’n Zehner.«
    Ich hole den Schein aus dem Portemonnai und stecke
die Lupe in die Hosentasche. Zehn Mark - das ist Wucher!
    Auf meiner Fahrt durch die Stadt sehe ich an einer Bushaltestelle zwei taubstumme Männer stehen. Die beiden gestikulieren miteinander. Einer von ihnen stößt dabei Laute aus, die wie Wolfsgeheul klingen. Auf einmal kriege ich Angst, dass es mich fast vom Rad wirft. Ich muss meine Stimme hören. Jetzt sofort!
    »Fischers Fritz fischt frische Fische!«, brülle ich, als ich in unsere Straße einbiege, und: »Blaukraut bleibt Blaukraut und Brautkleid bleibt Brautkleid!« Meine Stimme klingt wie immer. Vielleicht ein bisschen belegt. Wirklich stumm zu sein - darauf kann ich verzichten.
    Zu Hause sitzt mein Vater auf der Terrasse und liest Zeitung.
    »Irgendwelche Neuigkeiten?«, fragt er.
    Nichts, was dich was anginge.
    »Was macht die Schule?«, fragt er weiter.
    Interessiert dich ja doch nicht.
    »Kim hat angerufen«, sagt er. »Du sollst dich unbedingt bei ihm melden.«
    Telefonieren soll ich? Wie telefoniert man, wenn man nicht sprechen will?
    Mein Vater gibt mir sein Handy, ich nehme es mit in mein Zimmer und wähle Kims Nummer. Er ist selbst dran.
    »Bist du’s, Jonas?«, fragt er.
    »Mhm«, brumme ich.

    Das reicht ihm offenbar als Begrüßung. Er erzählt mir, dass mich jemand auf dem Katzenberg beobachtet habe. Ich wisse schon, wobei.
    »Hast du eine Ahnung, was er meint?«, fragt er.
    »Mhm«, mache ich.
    Ich kann mir schon denken, wobei ich beobachtet worden bin.
    »Der Typ hat irgendwie rausgekriegt, dass wir uns kennen«, fährt Kim fort. »Und weil er dich nicht erreichen konnte, soll ich dir bestellen, dass er morgen Mittag vor der Schule auf dich wartet. Klar?«
    »Mhm.«
    »Tschüss, Jonas.«
    »Mhm.«
    Damit legt Kim auf. Er scheint sich nicht dafür zu interessieren, was mit mir los ist. Oder hat er noch gar nicht mitgekriegt, dass ich nicht mehr rede?
    Was ist das für ein Typ, der mich treffen will? Will er mich erpressen? Was genau hat er auf dem Katzenberg gesehen? Bestimmt hat er mich bei meinen Tests beobachtet. Aber wie will er beweisen, dass ich da oben Versuche für den Bau einer Bombe gemacht habe? Und wenn er mir zum Gasometer gefolgt ist? Ach, Unsinn. In meinen Kopf kann niemand sehen. Auch dieser Unbekannte nicht. Was ich vorhabe, weiß keiner außer mir.

    Am nächsten Mittag warte ich nach dem Unterricht vor dem Schulportal. In Mathematik haben wir eine Klassenarbeit geschrieben, in den anderen Fächern wurde
wenig gefragt. Mein Schweigen ist überhaupt nicht aufgefallen. Nachdem der letzte Schulbus weggefahren ist, ist der Platz vor der Schule leer. Es ist niemand zu sehen, der auf mich wartet.
    Ich will gerade gehen, da kommt ein Auto auf den Platz gefahren. Es ist ein silberner Passat. Die Chromteile sind auf Hochglanz poliert, die getönten Scheiben versperren den Blick ins Innere.
    Der Wagen bremst vor mir, die Beifahrertür öffnet sich, und eine Männerstimme ruft: »Steig ein!«
    Ich denke ja gar nicht daran. Den Teufel werde ich tun und mich in ein fremdes Auto setzen. Also schüttele ich energisch den Kopf und schaue demonstrativ woandershin.
    Jetzt steigt ein Typ mit schwarzer Lederjacke aus. Jeans, offenes Hemd, eine dünne Kette um den Hals. Ein Typ, den ich sofort vergessen würde, wäre er nicht mindestens zwei Köpfe größer als ich.
    »Schön, dass du auf mich gewartet hast«, sagt er.
    Dann greift er in die Tasche seiner Lederjacke. Mit einem Mal hält er verschmorte Metallteile und Flaschenscherben in der Hand. Auf einer ist noch das Etikett zu lesen: »Deidesheimer Hofstück«.
    »Die Polizei interessiert sich bestimmt für das Zeug«, sagt er.
    Ich reagiere nicht.
    »Du bist vierzehn, stimmt’s?«, fragt er mit unverändert freundlicher Stimme.
    Diesmal nicke ich.
    »Mit vierzehn bist du strafmündig«, sagt der Mann.

    »Und Sprengstoffbesitz hat die Polizei nicht so gern. Ich kenne mich da aus.«
    Was soll das? Wieso sagt der Typ nicht, was er von mir will?
    Er lehnt sich an die Kühlerhaube seines Wagens und zündet sich eine Zigarette an. »Warum tust du das?«, fragt er. »Warum riskierst du einen Waldbrand?«
    Als ich nicht antworte, sagt er:
    »Na, kann mir egal sein. Hauptsache, wir beide kommen ins Geschäft.«
    Damit lässt er die Scherben und

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