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Die Stille zwischen den Sternen

Die Stille zwischen den Sternen

Titel: Die Stille zwischen den Sternen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Banscherus
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meiner Mutter einen Zettel hin. »Ich kann Rieke, mhm und au sagen«, stand drauf.
    »Es wird jetzt mit jedem Tag besser«, sagte sie und küsste mich ab. Das war mir wegen Rieke peinlich. »Sollst mal sehen, Jonas.«
    Rieke verabschiedete sich bald - vielleicht weil meine Mutter dauernd um uns rumsprang, als ob sie Angst
hätte, dass wir knutschen oder so. Ich hatte inzwischen wieder starke Kopfschmerzen und war froh, dass ich mich ins Bett legen konnte. Meine Mutter machte noch einige Versuche, mehr über Rieke rauszukriegen, aber ich blieb hart. Was mit Rieke und mir ist, geht sie nichts an. Im Augenblick jedenfalls nicht.
    Im Bett ließen die Kopfschmerzen bald nach. Irgendwann schlief ich sogar ein. Hinterher fühlte ich mich viel besser. Ich ging in die Garage, um mein Rad zu holen. Aber als ich es vom Haken an der Garagenwand nahm, entdeckte ich unter der Klingel einen Zettel. »Schnauze halten!«, stand drauf. Sonst nichts. Bloß: »Schnauze halten!«
    Es ist ein Traum, Doc, ein böser Traum. Irgendjemand schleicht sich einfach in unsere Garage und schreibt mir diese Warnung. Wer immer es ist - der Typ scheint große Angst zu haben. Wer geht schon freiwillig ein solches Risiko ein?!
    Ich ließ den Zettel in der Hosentasche verschwinden und fuhr los. Obwohl ich mich auf den Hügeln rings um Schwatten austobte, kamen die Kopfschmerzen nicht zurück.
    Aber der Zettel, der brannte in meiner Hosentasche. Nicht nur Winter ist hinter mir her, Doc. Da gibt’s noch andere.

    Im Augenblick fällt mir nichts mehr ein, was ich Ihnen noch erzählen könnte. Außerdem spüre ich ein leichtes Ziehen in den Schläfen. Welches Wort wird wohl morgen zu mir zurückkommen? Könnte es sein, dass
es jetzt ganz schnell geht? Dass ich bald wieder normal sprechen kann? Und dass endlich die Erinnerung zurückkehrt?
    Bevor Rieke nach Tunesien fliegt, soll sie ihren Witz bekommen. Das habe ich mir fest vorgenommen. Vielleicht den Witz von der Schildkröte am Rand der Wüste, mal sehen. Den kennen Sie bestimmt nicht, Doktor. Irgendwann werde ich Ihnen den auch erzählen. Mündlich natürlich. Erst einmal bringe ich Ihnen unser Buch ins Krankenhaus.

    Seien Sie ganz herzlich gegrüßt
von Ihrem Jonas

    Lieber Jonas,
    unser Buch habe ich während der Mittagspause gelesen. Und nun weiß ich überhaupt nicht, wie ich meine Gefühle beschreiben soll. Es ist mir nicht leicht gefallen, mich auf meine Arbeit zu konzentrieren, das kannst du mir glauben.
    Dabei hat es die im Augenblick in sich. Auf der Intensivstation sind alle Betten belegt, vor allem zwei junge Motorradfahrer machen mir Sorgen. Sie sind am Sonntag unabhängig voneinander in einem Abstand von nur einer Stunde schwer verunglückt. Überhöhte Geschwindigkeit, Selbstüberschätzung, schwere Maschinen, die sie nicht beherrscht haben - das Übliche. Der eine wird, wenn er überlebt, wahrscheinlich gelähmt bleiben. Der andere hat so schwere Kopfverletzungen, dass seine Aussichten ziemlich schlecht sind. Aber was
bedeuten in meinem Beruf schon Voraussagen. Wir erleben hier immer wieder Wunder. Einige meiner Kollegen mögen das Wort nicht. Ich finde, es beschreibt das, was auch bei scheinbar aussichtslosen Fällen passiert, sehr gut.
    Dass du zu sprechen beginnst, finde ich toll. Es ist nur eine Frage der Zeit gewesen, der Geduld. Du warst nicht so schwer verletzt wie die beiden Motorradfahrer. Jetzt beginnt sich der Knoten in deinem Kopf zu lösen. Darüber freue ich mich sehr, ach was, ich bin begeistert. Den Witz mit der Schildkröte am Rand der Wüste kenne ich übrigens. »Nee, nee, ist hier viel Sand!« - so endet er, stimmt’s? Du wirst mir also einen anderen erzählen müssen.
    Es sieht ganz so aus, als ob starke Gefühle deine Zunge lösen: Schmerz, Zorn, Verliebtsein. Nach allem, was ich darüber weiß, ist das ein normaler Prozess.
    Was deine Kopfschmerzen betrifft, mache ich mir Sorgen. Es ist zwar nicht ungewöhnlich, dass man nach einer Gehirnerschütterung ab und zu Kopfschmerzen bekommt (zum Beispiel bei Wetterwechsel oder bei Anstrengungen). Geh bitte trotzdem in den nächsten Tagen zu einem Neurologen. (Wir haben deinen Eltern bei deiner Entlassung die Adressen der niedergelassenen Neurologen gegeben.)
    Natürlich habe ich die Explosion auf dem Katzenberg mitbekommen. Wir mussten Betten für mögliche Verletzte bereitstellen. Und natürlich habe ich gleich an dich gedacht. Und an Winter. Ich wüsste zu gern, was im Augenblick in seinem Kopf vorgeht. Er hat dich
noch

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