Die Stimme des Feuers
Mann werden, Monsieur.«
»Ja, unter dem Schutz von Lord Graelams starker Hand.«
Graelam kam zurück und half Kassia in den Sattel. Als sie sich der Burg näherten, schickte er Guy und die anderen voraus und winkte Kassia, ihm zu folgen. Er führte sie an den versteckten Strand, wo er ihr vor vielen Wochen die Jungfernschaft geraubt hatte. »Ich habe mit dir zu sprechen«, sagte er. Er hob sie aus dem Sattel und band die Pferde an. Dann sagte er: »Als ich dich nach dem Namen des Mannes fragte, sagtest du, Blanche wolle ihn dir nicht nennen. Warum ziehst du sie da hinein?«
»Weil nur sie es gewesen sein kann, die diese Männer gekauft hat. Ich kam erst darauf, als du mir von der gestohlenen Halskette erzählt hast. Da war mir klar, daß es jemand aus dem Burghaushalt gewesen sein muß. Nur Blanche kam in Frage, weil sie mich an dem Tag begleitet hat. Ich bat sie, mir den Namen des Mannes zu nennen, aber sie lachte nur und weigerte sich.«
»Das ist lächerlich«, sagte er kalt. »Blanche hat keine Veranlassung, so etwas zu tun.«
»O doch. Sie will dich heiraten und die Zukunft ihres Sohnes sichern, den sie sehr liebt.«
Graelam erinnerte sich an den Abend, an dem Blanche zu ihm ins Zimmer, in sein Bett gekommen war. Laut sagte er: »Du fantasierst, Kassia. Blanche ist nicht hinter mir, sondern hinter Guy her. Heute abend wird Guy seine Verlobung mit ihr bekanntgeben. Er hat die beiden letzten Nächte mit ihr geschlafen.«
Kassia schwankte. Guy und Blanche! »Nein«, flüsterte sie.
»Ah, das macht dir Kummer, nicht wahr, Mylady? Dein edler Guy begehrt eine andere Frau. Ja, Blanche ist eine echte Frau mit den Wünschen einer Frau und dem weichen Körper einer Frau.«
»Aber sie ist älter als Guy!«
»Nur zwei Jahre, das zählt nicht. Sie wird ihm viele Söhne gebären, und das ist selbstverständlich der einzige Heiratsgrund für einen Mann. Dies und der Zuwachs zu seinen Schatztruhen und an Land. Er konnte sie erst jetzt fragen, da er vorher nichts besaß.«
Kassia begann an ihrem Verstand zu zweifeln. Wenn Blanche Guy liebte, warum hätte sie dann die Entführer kaufen sollen? Darauf fand sie keine Antwort.
Graelam dachte daran, was Guy ihm gestern abend gesagt hatte. »Eurer Frau kann nichts Besseres geschehen, als wenn Blanche aus Wolffeton verschwindet.« Er hatte es aber Kassia nicht erzählt.
»Es wird Zeit, daß du mir Söhne schenkst, Mylady. Du bist zwar ein frigides Kind, aber du wirst mir gegenüber deine Pflicht erfüllen.« Er packte sie an den schmalen Schultern, zog sie an sich, nahm ihren Kopf in seine großen Hände und küßte sie stürmisch. Ihre Lippen waren kalt, und sie hielt sie fest zusammengepreßt.
»Bitte«, flüsterte sie an seinem Mund, »du darfst mir nicht wieder weh tun. Das habe ich nicht verdient.«
Er stieß sie weg. »Nein? Vielleicht sollte ich dich nach Belleterre schicken und mir eine richtige Frau nehmen.«
Blind vor Wut, aber mit kalter Stimme sagte sie: »Vielleicht solltest du es wirklich tun.«
»Das reicht!« brüllte er sie an. »Besteig deine Stute, Weib! Du kannst nach Wolffeton reiten und die Vorbereitungen für das Fest heute abend treffen. Du möchtest doch Guy nicht enttäuschen, oder?« Stumm schüttelte sie den Kopf und kletterte auf Bluebells Rücken.
20
Kassia stand regungslos da, während Etta ihr den weichen Samtgürtel umband, der das hellblaue Seidenkleid in der Taille raffte. Sie hatte Blanche den ganzen Tag über nicht gesehen. Wozu auch? dachte sie. Blanche hatte ja keine Veranlassung, ihr die Wahrheit einzugestehen. Sie biß sich auf die Unterlippe. Was war denn die Wahrheit?
Etta trat zurück, um ihre Herrin anzuhimmeln. »Du siehst sehr hübsch aus, mein Kindchen«, sagte sie zärtlich. »Aber warum trägst du denn schon heute abend dein schönstes Kleid? Der Herzog kommt doch erst morgen.«
»Das wirst du schon sehen, wenn du in den Saal kommst, Etta.«
Wie an den letzten beiden Tagen erschien auch Blanche in einem ihrer schönsten Kleider. Kassia mußte zugeben, daß sie wirklich wunderschön aussah. Kein Wunder, daß Guy sich in sie verliebt hatte.
Blanche musterte Kassia eingehend und sagte dann mit honigsüßer Stimme: »Du siehst heute abend beinahe wie eine Edelfrau aus. Darf ich fragen, warum?«
»Natürlich aus Anlaß deiner Verlobung«, antwortete Kassia.
Blanche sog scharf den Atem ein und klapperte mit den Lidern. »Du weißt Bescheid? Hat Graelam mit dir gesprochen?«
»Ja, heute morgen. Da muß ich dir wohl
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