Die Stimme des Feuers
in Blanches Worten entging Kassia nicht. Aber da klang noch etwas anderes mit, das sie nicht zu deuten wußte. Ihr selbst würde Guy schrecklich fehlen. Doch natürlich würde sie ihm das nie sagen, schon gar nicht in Graelams Anwesenheit. Ihr graute vor der Einsamkeit, die ihr Schicksal sein würde.
»Was ist mit dir los?« fragte Graelam scharf. »Hast du gegessen?«
»Ja, Mylord. Wenn Ihr erlaubt - ich habe noch eine Menge zu beaufsichtigen.« Langsam ging sie aus dem Saal.
Sie tritt mir gegenüber noch immer so auf, als wäre ich nichts als eine schwere Last für sie. Er drehte sich um und lächelte Blanche freundlich an.
Die Nacht ist warm und so voller Geheimnisse wie eine Frau, dachte er. Leise öffnete er die Tür zu ihrer kleinen Kammer, schaute hinein, hörte ihre leichten Atemzüge und wußte, daß sie bereits tief schlief. Die lange Kerze auf dem kleinen Nachttisch war schon kurz vor dem Ausbrennen. Rasch zog er sich aus und beugte sich über die Kerze, um sie auszublasen.
Blanche ist schön, dachte er. Dabei konnte er im Dunkeln nur ihre Umrisse erkennen.
Er legte sich zu ihr, hob ihr schweres Haar an, küßte sie auf den Nacken und streichelte ihren Rücken. Blanche bewegte sich, erschrak zuerst und lächelte dann. »Ich habe nicht gedacht, daß du zu mir kommst«, flüsterte sie und erwartete mit geöffnetem Mund seinen Kuß.
»Ich habe dir doch gesagt, daß du nie mehr ohne mich zu schlafen brauchst«, sagte er flüsternd.
Blanche war einen Augenblick unsicher. Seine Stimme klang irgendwie anders. Doch dann spürte sie im Schoß ein verzehrendes Feuer. Sie seufzte noch einmal und gab sich ihm hin.
Als er fertig war, fragte sie: »Darf ich aufstehen?«
»Nein, Liebling, du gehst jetzt nicht weg.«
»Ich muß!«
»Nein, Blanche, mein Samen soll in deinem schönen Leib leben. Du wirst mir Söhne schenken. Viele Söhne.«
»Aber ich habe doch Evian«, fing sie an. Doch da spürte sie, daß er wieder in sie eindrang, und verstummte. Bald erreichte sie den Höhepunkt und war völlig erschöpft.
Irgend etwas stimmte nicht. Sie war beunruhigt. Er kam ihr schlanker vor, als sie ihn in Erinnerung hatte. Sie strich ihm über den Oberschenkel, auf der Suche nach der langen, gezackten Narbe. Darüber schlief sie ein.
Am nächsten Tag bemerkte Blanche an Kassia eine auffällige Blässe und einen verkniffenen Zug um den Mund. Aha, Graelam hatte es ihr endlich gesagt! »Du siehst schlecht aus, Kassia«, sagte sie.
»Ich habe schlecht geschlafen«, sagte sie, ohne Blanche anzusehen.
»Du brauchst Bewegung in der frischen Luft. Warum reitest du nicht aus? Jetzt kommt es ja nicht mehr darauf an.«
Worauf kommt es nicht mehr an? fragte sich Kassia.
Doch Blanche sprach schon weiter. »Ich kann dir versichern, daß Graelam nichts dagegen hat. Vielleicht kommst du diesmal nicht mehr wieder.«
»Du wirst wohl nie der Wahrheit die Ehre geben, wie?«
»Der Wahrheit?«
»Wie war sein Name, Blanche? Ich glaube nicht, daß er wirklich Edmund hieß.«
»Du überraschst mich«, sagte Blanche. »Er hat einen üblen Ruf, und doch hat er dich freigelassen. Sicherlich nicht deiner weiblichen Reize wegen.«
»Nein«, sagte Kassia tonlos. »Aber er war sehr nett und freundlich zu mir. Wie heißt er, Blanche?«
»Da es jetzt nicht mehr wichtig ist, bin ich beinahe versucht, es dir zu sagen. Graelam ist es inzwischen gleichgültig. Vielleicht fordert er ihn sogar auf, dich wieder zu entführen.«
»Ich reite aus, Blanche.« Kassia drehte sich um und ging schnellen Schrittes aus dem Saal. Draußen hielt sie das Gesicht der strahlenden Morgensonne entgegen. Dann dachte sie an Blanches merkwürdige Äußerungen über Graelam. Bestimmt trafen sie zu. Wenn sie wegritt und niemals wiederkam, würde er sich darüber keine grauen Haare wachsen lassen.
Zu ihrem größten Erstaunen schüttelte der Stallknecht Osbert, ein lebhafter alter Mann mit grauen Haaren und einer Hakennase, den Kopf, als sie ihn aufforderte, Bluebeil zu satteln. »Verzeiht mir, Mylady, aber der Lord hat gesagt, Ihr dürft ohne ihn nicht ausreiten.«
»Wann hat er dir das befohlen, Osbert?«
»Gestern, Mylady, und schon zum wiederholten Male. Er sagte, er werde mir den Hals langziehen, wenn ich auf Euer ... hübsches Gesicht hereinfalle.«
Hübsches Gesicht! Das war zum Lachen. »Wo ist Lord Graelam?«
»Hier, Mylady!«
Sie fuhr herum und erbleichte, als sie ihn, die Arme über der breiten Brust gekreuzt, an der Tür lehnen sah.
»Du möchtest
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